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Den Haag. Der liberale niederländische Ex-EU-Kommissar Frits Bolkestein hat offensichtlich seinen Blick für die Realität wiedergewonnen. Er rät seinem Heimatland in einem Interview mit der Tageszeitung „Algemeen Dagblad“ zum Austritt aus dem Euro, und zwar so schnell wie möglich.
Bolkestein war langjähriger Europapolitiker der niederländischen Liberalen sowie von 1982 bis 1986 Handelsminister, 1988 und 1989 Verteidigungsminister und von 1990 bis 1998 Fraktionsführer seiner Partei im Parlament in Den Haag. In den Jahren 1999 bis 2004 schuf Bolkestein als EU-Binnenmarktkommissar die Europäische Dienstleistungsrichtlinie. Nun gehört der frühere EU- und Euro-Befürworter zu den Kritikern der aktuellen Politik in Brüssel. Es handelt sich also um einen echten EU-Insider, dessen Warnruf schon eine bemerkenswerte Qualität hat.
Auch in den Niederlanden wächst der Widerstand gegen den Euro. Bis Anfang März konnte das niederländische „Burgerforum EU“ unter der Führung des niederländischen Geographie-Professors Ewald Engelen 40.000 Unterschriften für eine Petition an das niederländische Parlament in Den Haag sammeln. Mit dieser möchte die Bürgerrechtsbewegung ein Ende der Abtretung der Souveränität an die EU und Neuverhandlungen über Verbleib und Ausrichtung dieser Staatengemeinschaft erreichen.
Spätestens im Jahr 2017 sollten die Niederländer dann in einem Referendum über Verbleib oder Austritt aus der EU abstimmen. Und nun bekommt die Initiative Rückenwind. Es ist das erste Mal, daß sich ein früherer EU-Kommissar derart negativ zur gemeinsamen Währung der Eurozone äußert. Bolkestein sagte dem „Algemeen Dagblad“ unter anderem: „Die Währungsunion hat total versagt. Der Euro hat sich als Schlaftablette erwiesen, die Europa dösen ließ, anstatt über unsere Wettbewerbsfähigkeit nachzudenken.“
Auch dem EU-Parlament schrieb Bolkestein deutliche Worte ins Stammbuch: „Es ist für die niederländischen und die europäischen Bürger nicht mehr repräsentativ.“ Das Parlament lebe „eine föderale Phantasie, die nicht länger haltbar ist“.
Bei fortschreitendem Widerstand der Den Haager Parlamentarier möchten die niederländischen Aktivisten vom „Burgerforum“ ihre Unterschriftenaktion weiterführen. Überschreiten sie dabei die gesetzlich festgelegte Marke von 300.000 Unterschriften, dann muß das Referendum auch gegen den Willen der Parlamentsmehrheit durchgeführt werden. Und dies könnte auch die Deutschen, die sich bislang alles gefallen lassen, möglicherweise wachrütteln.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.