Der Syrien-Konflikt: Unbemerkte Wende im globalen Machtpoker?

4. Juni 2013

Islamistischer Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) in Syrien (Foto: flickr/FreedomHouse2, CC BY 2.0)

Damaskus. Um den Krieg in Syrien wurde es in den letzten Wochen auffallend still in den Medien. Verstummt sind alle, die den baldigen Sturz von Staatsschef Assad prophezeiten, und neue Siegesmeldungen der Aufständischen gibt es offenbar auch nicht mehr.

Was ist geschehen? Noch vor wenigen Wochen malten die bundesdeutschen Qualitätsmedien im Kielwasser der Pentagon-Propaganda das Gespenst eines Chemiewaffeneinsatzes der regulären syrischen Armee an die Wand. Wir erinnern uns (und US-Präsident Obama apportierte pflichtgemäß): Ein Chemiewaffeneinsatz Assads – natürlich gegen die „eigene Bevölkerung“ – wäre eine „rote Linie“, deren Überschreiten ein Eingreifen der USA nach sich ziehen könnte.

Davon ist seit geraumer Zeit keine Rede mehr – vielleicht auch deshalb, weil die detaillierten Pläne für einen fingierten Chemiewaffeneinsatz, der dann Assad in die Schuhe geschoben werden sollte, inzwischen weltweit im Internet kursieren. Die Weltöffentlichkeit würde diesen Kriegsgrund womöglich schlichtweg nicht akzeptieren.

Nun befinden sich Präsident Assad und sein „Regime“, bei dem es sich immerhin um die legale Regierung seines Landes handelt, also noch immer im Sattel, und so wie es aussieht, rückt sein von der „Weltgemeinschaft“ monatelang herbeigepredigter Fall mit jedem Tag in weitere Ferne. Was ist geschehen?

Die entscheidende Tatsache dürfte sein, daß die aufstrebenden Weltmächte Rußland und China nach wie vor ihre Hand über Assad halten. Moskau und Peking verweigern bislang hartnäckig ihre Zustimmung zu einem weiteren Vernichtungskrieg der USA und ihrer Vasallen, diesmal gegen Syrien. Und das im Weltsicherheitsrat sogar zweimal. Dies führt zu einer völlig veränderten Lage in der Welt, was Assad in den letzten Wochen offenbar in die Lage versetzte, sein Land militärisch weitgehend zurückzuerobern.

Die strategisch sehr wichtige Stadt Qusayr steht für die Aufständischen vor dem Fall. Die Regierung forderte die Zivilbevölkerung auf, die Stadt zu verlassen. Die syrische Armee wird von Kämpfern der Hisbollah verstärkt, die kampferprobt, diszipliniert und entschlossen sind und ihren Mut mit zwei Siegen über die überlegene israelische Armee bereits beeindruckend unter Beweis gestellt haben.

Darüber hinaus konnte die syrische Armee die weitere Umgebung der Hauptstadt Damaskus mittlerweile von Terroristen säubern und nahm deren Stellungen ein. Dabei darf man nicht vergessen, daß die „Aufständischen“ mit modernsten Waffen aus Israel und den USA ausgerüstet wurden. Doch es genügte nicht. Am 24. April konnte die syrische Armee mit Luftunterstützung die Rebellen-Hochburgen um Damaskus einnehmen. An diesem Tag vertrieb Assad die Rebellen auch aus Otaiba, einem weiteren strategischen Zentrum der Aufständischen.

Auch die lange umkämpfte Stadt Aleppo fiel an die rechtmäßige Regierung in Syrien zurück. Am 4. Mai verjagten syrische Truppen die Aufständischen aus Aziza und Tall Assan bei Aleppo. Damit wurde die Kampfmoral der vom Ausland aufgebauten und unterstützten „Opposition“ maßgeblich gebrochen. In Medienberichten wird der Erfolg der syrischen Armee auch damit begründet, daß die Rebellen nicht genügend Unterstützung aus Jordanien für ihren Kampf gegen die syrische Regierung erhielten.

Was im Klartext bedeutet, daß Washington in Syrien nicht in der Lage war, Flugverbotszonen wie zuvor über anderen Krisengebieten durchzusetzen. Die Terroristen wollen mit ihren modernen Waffen unbehelligt töten können, ohne aus der Luft bekämpft zu werden – so wie es in Libyen gegen Gaddafi gemacht wurde.

Doch genau in dieser entscheidenden Frage verweigern sich China und insbesondere Rußland bis heute. Was in Libyen geschah, so die russische Politik, sollte sich nicht wiederholen: Der russische Fernsehsender „Visti-24“, der über die Reise des russischen Außenministers Lawrow berichtete, ging über die offizielle Kommentargestaltung hinaus und erklärte: „Nach Aufstellung des S-300-Raketensystems kann sich ein Szenario wie in Libyen nicht wiederholen, nämlich die Verhängung einer Flugverbotszone über das Land.“

Rußland scheint entschlossen zu sein, weitere hochwirksame Waffen an Syrien zu liefern, auch wenn Moskau ständig betont, die Waffenlieferungen erfolgten nur in Erfüllung alter Verträge. Entscheidend ist, daß sich Syrien offenbar effizient verteidigen kann, da die Flugverbotszone gegen den Widerstand Rußlands und Chinas nicht durchgesetzt werden konnte.

Alles in allem läßt der syrische Konfl ikt eine bemerkenswerte Perspektive erkennen: Washington konnte sich in diesem Fall nicht durchsetzen, und Syriens Verbündete Rußland und China ließen sich – bislang – nicht weichklopfen. Hier kündigen sich tektonische Verschiebungen der Machtverhältnisse in der Welt an. War der Syrien-Konflikt die unbemerkte Wende im globalen Mächtepoker?

Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.

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