Wien/Brüssel. Anders als im Jahr 2000 blieb jetzt der Medien-Aufschrei über das erneute Zustandekommen einer ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition in Österrieich aus. Nur aus Frankreich kamen leicht gehässige Zwischentöne.
So vermerkt die Tageszeitung „Le Monde”, daß die FPÖ „von alten Nazis” gegründet worden sei, und schreibt weiter: „Die Lehre aus Österreich: Der Populismus in Europa bleibt aktiv. die extreme Rechte erhält Innen und Verteidigung.”
Von einer Reihe rechtspopulistischer Parteien aus ganz Europa kamen dagegen Glückwünsche und viel Zustimmung. Vom Kongreß der rechten ENF-Fraktion im Europaparlament in Prag hieß es, die Einigung zwischen FPÖ-Chef Strache und ÖVP-Chef Kurz sei „historisch“. Die in Prag teilnehmende Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, sprach von „großartigen Neuigkeiten” aus Österreich. Die Wahlen in Europa könnten zu einem „wahrhaftigen Umbruch” führen und denen, die gegen die Europäische Union seien und sich für ein „Europa der Nationen” einsetzten, eine Mehrheit verschaffen.
Das sieht man in Wien aber offenbar anders. Um die grundsätzlich proeuropäische Ausrichtung der neuen Regierung zu unterstreichen, wird der frisch angelobte Bundeskanzler Kurz gleich am Dienstag zu einem Antrittsbesuch nach Brüssel reisen, um dort mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammenzutreffen. (mü)
Das Hurrah aus bestimmten Kreisen über die neue österreichische Regierung ist so groß, dass man gar nicht mehr genau hinsieht. Kurz hat durch sein Manöver der FPÖ die Kanzlerschaft weggeschnappt. Van der Bellen hat durch seine Einmischung in die Koalitionsverhandlungen viele Forderungen entschärft von Europa bis zur direkten Demokratie. Es gibt gute Gründe, warum Van der Bellen bei der Angelobung so gut gelaunt war. Er hat es geschaft eine Menge Minen zu legen, die der FPÖ gut den Laden zerreißen können. Allein schon, dass die FPÖ in Wien europafreundlich sein muss und die Abgeordneten in Brüssel europakritisch. Kurz hat wichtige Dinge an sich gezogen und wird der FPÖ gewaltig zusetzen im geheimen Einverständnis mit Van der Bellen, der ganz andere Ziele hat. Hier treffen sich die Interessen.
Wir werden sehen wie weit die FPÖ nun von ihren bisherigen Positionen abrückt. Ich habe das ungute Gefühl, dass Strache auf dieselbe schiefe Bahn geraten könnte, die bereits Haider seinerzeit betreten hatte. Die Israel-freundlichen Sprüche von Strache haben offensichtlich nichts genützt – FPÖ Minister sollen von Israel boykottiert werden.
Und dann der Kurz: bleibt für mich ein Blender der angetreten war um die FPÖ als Gewinner zu verhindern, was dank Smartphone-Primaten auch gelang. Dass die EU eine fortgesetzte Katastrophe für viele Europäer ist wird ausgeblendet. Kurz reist zuerst nach Brüssel anstatt in die Schweiz, was frühere Tradition war.
Nun muss man natürlich nicht in die Schweiz reisen, die sich permanent (also der Bundesrat/Regierung) von Brüssel über den Tisch ziehen lässt.