Die EU-Außenminister waren sich schnell einig: Es müssen Waffen an die Kurden geliefert werden, damit diese sich gegen die Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zur Wehr setzen können. Auch Deutschland werde bei der Unterstützung der Kurdenmilizen im Kampf gegen die Dschihadisten „bis an die Grenze des politisch und rechtlich Machbaren gehen“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Brüssel. Selbst Joschka Fischer und Karl-Theodor zu Guttenberg meldeten sich zu Wort. Kaum überraschend: Sie rufen nach Krieg – mit deutscher Beteiligung. Die grünschwarze Kriegskoalition steht.
Kritische Stimmen sucht man unter den etablierten Politikern und Medien vergeblich: Von taz bis Bild fordern alle unisono: Waffen für Kurdistan! Gerade jetzt wäre es die Aufgabe der Medien, kritisch nachzuhaken. Warum spielt der Terror des IS erst jetzt eine Rolle? Immerhin bomben und morden sich die Al-Kaida-Banden unter verschiedenen Namen seit 2011 durch Syrien und den Irak. Und warum erfolgt der weltweite Aufschrei plötzlich jetzt, wenn die IS-Milizen Kurden und Jesiden ermorden, nicht aber, wenn sie riesige Landstriche „christenrein“ fegen? Warum ist ein getöteter syrischer oder irakischer Christ weniger wert als ein getöteter Kurde oder Jeside? Warum werden Dschihadisten in Syrien nach wie vor vornehm als „Rebellen“ bezeichnet – und im Irak als „Terroristen“. Doch all diese Fragen sucht man vergeblich bei Spiegel, Zeit & Co. Im Gegenteil: Wer noch vor wenigen Wochen davor warnte, daß es sich bei den angeblichen „Rebellen“ in Syrien um brutale Terrorbrigaden handelt, wurde als „Verschwörungstheoretiker“ oder „Regimeanhänger“ beschimpft.
Dabei ist das Terrormonster IS vom Westen selbst fabriziert: Das Knowhow der Terrorkriegsführung haben die Kämpfer in den Ausbildungslagern in der Türkei und in Jordanien erworben, die von den USA mit betrieben werden. Das Geld fließt aus den Golfmonarchien, die als westliche Verbündete gelten. Nun scheinen die IS-Brigaden nicht so zu agieren, wie man es sich in Washington wünscht: Sie marschieren in die falsche Richtung – anstatt nach Damaskus vorzudringen, greifen sie die Kurdengebiete an. Die Folge waren US-Bombenangriffe auf die IS-Truppen und Waffenlieferungen an die Kurden. Wollte der Westen den „Islamischen Staat“ tatsächlich vernichten, wäre die Lösung einfach: Sofortige Einstellung jeglicher Unterstützung für sogenannte „Rebellen“ in Syrien, politischer und wirtschaftlicher Druck und Sanktionen gegen die Golfmonarchien, Jordanien und die Türkei.
Und wollte man ernsthaft eine Streitmacht für den Kampf gegen den IS stärken, dann müßte man Waffen und Ausrüstung an diejenigen liefern, die bereits erfolgreich gegen die IS-Banden vorgehen: die syrische Armee und die libanesische Hisbollah. Das wäre konsequent, aber angesichts der politischen Gegebenheiten ist es völlig unrealistisch. In Berlin hört man lieber auf zu Guttenberg und Fischer – und rüstet mit den Kurdenmilizen das nächste Frankenstein-Monster in der Region auf.
Manuel Ochsenreiter ist Chefredakteur des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!