„Spaltpilze in Menschengestalt“ – Thor Kunkel im ZUERST!-Gespräch über die „Spaltung der Gesellschaft“

17. Februar 2020
„Spaltpilze in Menschengestalt“ – Thor Kunkel im ZUERST!-Gespräch über die „Spaltung der Gesellschaft“
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Thor Kunkel, Schriftsteller und PR-Experte, im ZUERST!-Gespräch über die „Spaltung der Gesellschaft“

Herr Kunkel, in allen Medien ist sie der­zeit eines der Hauptthemen: die sogenannte „gespaltene Gesellschaft“. Kön­nen Sie als PRExperte uns erklären, was damit eigentlich gemeint sein könnte?

Kunkel: Es gibt heute wieder zwei Lager, die völlig unterschiedliche Vorstellun­gen von einem Deutschland des 21. Jahr­hunderts haben. Die eine Gruppe unter­stützt fanatisch den Kurs der Merkel-Regierung und deren aberwitzige Mi­grationspolitik, während die andere Gruppe stets vehementer die Souveräni­tät und kulturelle Identität Deutsch­lands verteidigt. Ausländern wird diese Lust an ihrer Heimat übrigens zugestan­den. Man denke nur an die Neigung vie­ler syrischer Flüchtlinge, lieber in ihrer Heimat Urlaub zu machen, um sich „von Deutschland zu erholen“, wie ein Flüchtlingsblogger kürzlich mal schrieb.

Inwiefern?

Kunkel: Nun, auch die Deutschen ha­ben das Recht, „unter sich“ sein zu wol­len, das heißt, in einer Gemeinschaft zu leben, in der sie sich nicht ständig erklä­ren und das alltägliche Leben mit Ein­wanderern aushandeln müssen. Diese Bürger meinen es ernst, wenn sie das neue, von oben propagierte Nebenein­ander mit nordafrikanischen Einwan­derern als Zumutung empfinden.

Ist das, was wir als „Spaltung“ bezeich­nen, nicht eigentlich die normale Mei­nungsvielfalt in einem demokratischen Gemeinwesen?

Kunkel: Ich glaube, mit „Spaltung“ ist et­was anderes gemeint. Ein archaisch an­mutendes Freund-Feind-Denken hat die Kultur des Diskurses weitgehend ver­drängt. Dazu haben Politiker wie Johan­nes Kahrs und Ralf Stegner erheblich beigetragen, aber auch Funktionäre wie Sawsan Chebli oder Aiman Mazyek, die ganz offen antideutsche Interessen ver­folgen. Traurigerweise haben die Deut­schen diesen Spaltpilzen in Menschengestalt keinerlei Kulturtechniken entgegenzusetzen. Hinzu kommt die zu­nehmende Verfolgung Andersdenkender durch die Regierung: Manche werden wegen ihrer politischen Meinung gefeu­ert, soziale Beziehungen regelrecht ver­nichtet. Es gibt inzwischen erstaunlich viele Beispiele dafür, wie der Staat vor­geht, Oppositionelle oder unbequeme Intellektuelle durch materielle Repressalien in die Knie zu zwingen. Die große Wurzel aller Kriege ist bekanntlich die Kränkung. Ich würde sagen, das Ausmaß an Kränkungen, die sich die Deutschen gegenseitig zufügen, ist heute beängsti­gend und könnte auf einen Bürgerkrieg oder ähnliches hinauslaufen.

Angeblich seien die AfD und „die Rech­ten“ für diese Spaltung verantwort­lich…

Kunkel: Beide Lager machen sich ge­genseitig für die Spaltung verantwort­lich, um genau zu sein. Ich habe das bei Gesprächen mit Journalisten während der Landtagswahlkämpfe im Osten in den letzten Wochen mitbekommen.

Woher kommt diese Unversöhnlichkeit? Hat niemand versucht, dem entgegen­zuwirken?

Kunkel: Aber natürlich. Auch ich habe noch 2017 gehofft, daß Gespräche mit Medienvertretern Brücken bauen könn­ten. Nachdem klar war, daß die AfD keine Eintagsfliege, sondern eine neue Volkspartei ist, hätten die Mainstream-Medien ihren Stil der Berichterstattung ändern müssen. Damit meine ich, es hätte Schluß sein müssen mit der feind­seligen Fiktionalisierung der AfD, dem Neusprech und den Framing-Ge­schichtchen wie vom Flüchtling, der 10.000 Euro findet und die der Polizei übergibt. Das Gegenteil ist der Fall, die Presse berichtet heute noch feindseliger als zuvor, und das Ausmaß an Fake-News ist kaum mehr zu ertragen.

Wer könnte daran Interesse haben?

Kunkel: Manchmal habe ich den Ein­druck, die Spaltung, die Sie ansprechen, ist von den Medien und den etablierten Parteien gewollt. Sie wollen die Eskalation, damit sie Deutschland mit dem eisernen Besen durchkehren können. Brandbeschleuniger scheinen mir da die neuen Zensurmaßnahmen im Internet zu sein. Immer mehr Deutsche sehen darin den Beweis, daß ihre freie Mei­nungsäußerung wie in einer Diktatur eingeschränkt wird. Das schürt Empörung. In den Augen der Etablierten rücken diese zu Recht Empörten dagegen noch mehr in die Rolle „rechtspopulistischer Hetzer“ – ein Teufelskreis! Denn wie sollten die AfD und deren An­hänger es den Regierungsparteien jemals recht machen können? Einfach die Klap­pe halten und so tun, als hätte die illegaleGrenzöffnung von 2015 keinerlei Aus­wirkung auf das deutsche Zusammenleben gehabt? Das kann nicht sein.

Das Thema der Einwanderung ist dabei essentiell?

Kunkel: Da sie als eine Art Invasion stattgefunden hat, in der Fachkräfte für Totschlag, Kindermord und Notzucht den Ton angeben, dürfte die Mehrheit der Deutschen inzwischen – was die Einwanderung anbelangt – zutiefst er­nüchtert sein. Man protestiert oder paßt sich an, eins von beiden.

Zum Beispiel?

Kunkel: Ich gebe Ihnen ein nichtig klin­gendes, aber bezeichnendes Beispiel. Meine Frau geht neuerdings abends mit ihren Berliner Freundinnen nur noch in Turnschuhen aus. Der Grund: Die Da­men glauben, so im Falle einer Bedro­hungslage schneller davonlaufen zu können. Absurd, doch auf die Polizei geben sie nicht mehr allzuviel. Das war in den Jahren 2005 bis 2009, als wir in Berlin lebten, noch anders.

Angela Merkel würde Ihre Frau jetzt fragen, warum Sneakers oder Sport­schuhe ein Problem sind…

Kunkel: Weil sie es sich leider nicht mehr aussuchen kann.

Aber die Modeindustrie sagt ja auch, daß Sneakers sehr schöne Ausgehschuhe sein können…

Kunkel: (lacht) Klar! Man kann sich als Frau vor einem Schwimmbadbesuch auch „Nein heißt Nein“ auf den Ober­arm tätowieren lassen. Es gibt ja einige graphische Varianten unserer Anpas­sung an jene, welche bei uns Schutz suchten.

Apropos „Spaltung“: Die Ehefrau eines Berliner Senators oder eines Bundesministers muß sich keine Gedanken über ihre Schuhe machen, wenn sie aus­geht…

Kunkel: Da mögen Sie recht haben.

Ist also die Spaltung nicht eine zwischen rechts und links, sondern eine zwischen oben und unten?

Kunkel: Da stimme ich durchaus zu. Das Problem der Zukunft wird sein, daß Personen mit geringem Einkom­men die negativen Auswirkungen der Migration mit voller Härte zu spüren bekommen. Wir sprechen also über jene Bürger, die ihre Kinder nicht im BMW-Hybrid oder Elektroauto zur Waldorfschule kutschieren. Das bleibt der linksliberalen Elite vorbehalten. Wer es sich leisten kann, dürfte sich demnächst in eine bewachte „Gated Community“ verziehen, mit gleichgesinnten Gutmenschen, die die Wirk­lichkeit außerhalb ihres Bionade-Ghet­tos ausblenden können. In meinem Ro­man Subs habe ich bereits 2011 so eine Enklave beschrieben, in der bessergestellte Gutmenschen mit illegalen Wanderarbeitern die Sklaverei neu er­finden.

Es ist ein Unterscheid, ob Ihr Kind mit dem Sohn eines nigerianischen Diplo­maten zur Schule geht oder mit nigeria­nischen Asylkindern…

Kunkel: Das ist der Punkt. Die wichtigen Entscheidungen fällen aber jene, deren Kinder mit Diplomatenkindern zur Schule gehen.

Sie sind ja selbst „Kulturschaffender“ – wie weit hat sich Ihre Branche eigentlich in den letzten Jahrzehnten vom Volk wegbewegt?

Kunkel: Ich würde sagen, der Draht zur Bevölkerung und zu ihren Problemen ist schwächer geworden. Wenn wir uns beispielsweise die Filmförderung ansehen, fällt auf, daß vor allem Filme ge­fördert werden, die thematisch zur kul­turpolitischen Agenda der Merkel-Re­gierung passen. Das Dramatisieren von Flüchtlingsschicksalen spielt seit Jahren eine besondere Rolle. Drehbuchautoren und Produzenten spielen hier die Erfül­lungsgehilfen, weil sich so Förderkohle abgreifen läßt. Man weiß, was „die da oben“ wollen. Und auch ein Sascha Lobo mit seiner Hahnenkamm-Frisur will zum Gartenfest des Bundespräsidenten eingeladen werden und dort sein Stück vom Kuchen in der Gegen­wart der übelsten CDU-Schranzen spachteln. Diese Art, sich bei den Mäch­tigen anzubiedern, ist inzwischen in der Kulturszene zum Modus operandi ver­kommen. Manche haben es sogar ge­schafft, eine eigene Gattung – die Anbiederungsliteratur – salonfähig zu ma­chen.

Wen meinen Sie damit?

Kunkel: Zum Beispiel die S.P.O.N.- Bloggerin Sibylle Berg. Im Werbefilm zu ihrem Roman GRM – Brainfuck benutzt sie einen 14jährigen Farbigen wie eine Signalfahne – da, schaut her, ich bin eine Gute, von mir aus soll halb Nordafrika kommen… Bergs PR-Strategie paßt zu ihrem Bündel billiger Sexcrime-Geschichtchen, die so wirken, als hätte man sie alle schon mal vor 20 Jahren bei Pulp Master gelesen. Berg, die übrigens in Zürich, der Stadt mit der höchsten Lebensqualität Europas, wohnt, kennt das Milieu gar nicht, über das sie schreibt. Ihr Werbefilm ist daher be­stenfalls ein Marketing-Gag. Im Grun­de sollte sie sich Sibylle Fake nennen, das hätte noch eine gewisse

Selbstiro­nie. Ich korrigiere mich – Sibylle Black und die schwarzen Zwerge, das ist noch besser. Aber diese Person meint es in ih­rem Krampf gegen rechts leider tod­ernst.

Inwiefern?

Kunkel: Nun, Sie erinnern sich doch an diesen Ermutigungsbrief an die Antifa, den Berg vor ein paar Jahren im Spiegel publizierte? Es ist nur ein Beispiel des anfangs erwähnten unversöhnlichen Freund-Feind-Denkens, das einen nor­malen Austausch von Ideen unmöglich macht. Ich glaube, Staatskünstler wie Berg nehmen die Spaltung unserer Ge­sellschaft bewußt in Kauf. Und so etwas hatten wir ja schon mal in Deutschland.

Wann denn das?

Kunkel: Nun, die nationalsozialistische Unterhaltungsindustrie funktionierte ja genau nach dieser Formel. In Wirklich­keit sind die Babelsberg-Filme allesamt Propaganda-Infusionen, weshalb

bei­spielsweise die Schmonzette Jud Süß zu Recht zum „Vorbehaltsfilm“ erklärt wurde. Das ist alles weitaus perfider ge­macht als das Filmchen von Berg, aber die Intentionen dahinter sind sich ähn­lich. Viele wollen heute wieder Staats­künstler werden…

Sie haben Sascha Lobo erwähnt…

Kunkel: Ein Prachtexemplar der total vom Volk abgekoppelten, neuen Kul­turfunktionäre…

Ist denn der bunte Hahnenkamm wirk­lich frech und originell?

Kunkel: Nein, der ist anachronistisch. In den späten 1970er Jahren, als ich sel­ber in einer Frankfurter Punkband spielte, waren solche Frisuren noch Ausdruck von Dissens und No-Future. Da wurde man auch mal von Lkw-Fah­rern angepöbelt, der Hahnenkamm war sozusagen immer Eintrittskarte zu einer Spontan-Keilerei. Der gescheiterte Wer­ber Sascha Lobo trägt also ein quasimuseales Stück Haar auf dem Kopf und merkt wahrscheinlich nicht einmal, wie lächerlich er sich damit macht.

Ande­rerseits – über Tote nur Gutes.

Andere Personalie: Jan Böhmermann. Er bezeichnet sich selbst ja auch als Kul­turschaffender, unterstützt Schleuser­schiffe, Masseneinwanderung und An­gela Merkel. Was muß man überhaupt von Leuten wie Böhmermann, Joko Winterscheidt und Klaas HeuferUm­lauf halten?

Kunkel: Diese Leute zählen alle zu die­sen Globalisierungsfans, denen aber an­sonsten so ziemlich alles egal ist, wenn es nur ihre Taschen füllt. Schauen Sie sich doch nur einmal die Facebook-Sei­te von Joko an. Da fabuliert er über die Klimarettung, und gleichzeitig jettet er ständig um die Welt. Er schöpft aus dem Klimawahn soziales Kapital, und das war’s. Wahrscheinlich bemerkt er gar nicht die Diskrepanz zwischen seinen Äußerungen und seinem Lebensstil. Aber nochmals: Dieses Verhalten erinnert durchaus an das jener national­sozialistischen Staatskünstler, die das Regime bis zum bitteren Ende stützten.

Wie meinen Sie das?

Kunkel: Damals wie heute bestimmt die politische Führung den Werte-Kanon, den jeder Kulturschaffende, dem an einer Karriere gelegen ist, im Handumdrehen erlernt. Wer ihn verinner­licht, tut das nicht zuletzt, weil er sich davon geldwerte Vorteile – Stipendien, Fördermittel, sozialen Aufstieg – ver­spricht. Das ist durchaus vergleichbar mit dem Verhalten jener NS-Kunst­funktionäre, die nach 1945 in völliger Bedeutungslosigkeit versanken. Man denke nur an Adolf Ziegler oder Fritz Hippler. Heinz Rühmann ist natürlich das beste Beispiel für so eine Karriere. Er hat noch 1944 in Berlin – als die Stadt regelmäßig in Schutt und Asche bombardiert wurde – seine Komödien für die Nazis gedreht. Dafür bekam er von der Reichsfilmkammer Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt. Es gibt Zeugenaussagen aus Rühmanns Team, wie der Heinz abends in Cham­pagnerlaune im offenen Motorboot über den Wannsee cruiste, während man bereits in der Ferne das Belfern so­wjetischer Artillerie hören konnte.

War Heinz Rühmann der Jan Böhmer­mann der 1930er und 1940er Jahre?

Kunkel: Jetzt, wo Sie den Vergleich zie­hen, kann ich das nicht ganz verneinen. Denn auch ein Linientreuer wie Böh­mermann dürfte sein komödiantisches Talent bis zum bitteren Ende – gegen gute Bezahlung, versteht sich – einset­zen und danach behaupten, er hätte von gar nichts gewußt.

Böhmermann wäre wahrscheinlich dann auch in einem AfDregierten Deutschland erfolgreich?

Kunkel: Bei seinem Ausnahme-Talent kann daran kein Zweifel bestehen. Die­se Sorte des Volksschauspielers ähnelt nun mal dem Chamäleon, das kommt auch immer irgendwie durch. Würde man Böhmermann beispielsweise in 20 Jahren fragen, warum er 2019 zu Spen­den für die Schlepper-Kapitänin Carola Rackete aufrief, seine Antwort wäre vielleicht: Um weitere Verbrechen die­ser offenbar schwer traumatisierten Tochter eines Rüstungs-Experten zu verhindern. Umgekehrt würde die neue Regierung einem fiktiven Kulturinten­danten Böhmermann zugestehen, seine nun unrühmliche Vergangenheit als „embedded comedian“ und Fan-Boy der Eidbrecherin Merkel umzudeu­ten… Aber lassen wir das, sonst gerate ich noch ins Schwärmen!

Was geschieht mit Kulturschaffenden, die sich diesem Trend explizit nicht un­terwerfen wollen?

Kunkel: Denen wird über Nacht das Le­ben schwergemacht. Selbst als bekann­ter Schriftsteller hat man seine liebe Not, überhaupt noch publizieren zu können. Diese Erschwerung des Da­seins spielt in alle Lebensbereiche hin­ein. Für einen „ausgestoßenen“ Kultur­schaffenden ist es nahezu unmöglich, in einer Stadt wie Berlin eine Wohnung zu mieten. Auch Vermieter googeln heut­zutage ihre Mieter, und wenn man von den Medien erst einmal gebrandmarkt ist, wird es schwierig. Wer aus dem Konsens ausschert, hat die Konsequen­zen zu tragen. Auch das ist ein Beispiel für die gesellschaftliche Spaltung.

Sie wurden ja ebenfalls ausgestoßen…

Kunkel: Halbwegs, ich meine, im Ver­gleich mit Pirinçci bin ich fast noch be­liebt bei den Medien. Das Ganze hat auch gute Seiten. Ich schreibe heute mit viel mehr Genuß als früher und nur noch genau das, was ich will. All die Rat­schläge der linken Kumpels, die mich immer vor mir selbst schützen wollten, muß ich nicht länger ertragen. Übrigens: Ich wurde früher mal vom Chef des Lite­rarischen Colloquiums Berlin als Para­debeispiel eines „guten linken Autoren“ wegen meiner „sozialkritischen Schrei­be“ genannt. Aus meiner Jugend im Dunstkreis von US-amerikanischen GIs, Drogenabhängigen und klapprigen Hu­rengespenstern, die auf der IAA anschaf­fen gingen, habe ich nie ein Geheimnis gemacht, das fanden die linken Kultur-Bobos Klasse. Daß es mir im Kern mei­ner Arbeit immer um Selbstbehauptung ging, haben sie nicht kapiert. Ich habe mich bis heute nicht geändert, die Kulturbranche schon. Ein deutscher Schrift­steller, der im Schreiben einen Akt der Selbstbehauptung sieht, ist heute auto­matisch ein Rechter. Auch dieser Auto­matismus befördert die von Ihnen angesprochene gesellschaftliche Spaltung.

Fast alle wichtigen Entscheidungen der letzten 20 Jahre wurden gegen den Mehr­heitswillen des Volkes gefällt: EuroEin­führung, LissabonVerträge, NATOEin­sätze, Grenzöffnung 2015, Rußland-Sanktionen… Wie schafft es ein politi­sches System, dies so lange durchzuhal­ten?

Kunkel: Die Beispiele, die Sie nennen, sind zweifellos die Auslöser der gesell­schaftlichen Spaltung. Ich bin mir si­cher, daß man das eines Tages in einer historischen Nachbetrachtung auch so sehen wird.

In einem anderen europäischen Land hätte die Bevölkerung eine solche Politik doch niemals einfach so hingenom­men. In Frankreich hätten Autoreifen gebrannt…

Kunkel: Das ist richtig. Und genau des­wegen eignet sich Deutschland auch so perfekt für das große multiethnische Experiment, von dem Yascha Mounk sprach – man könnte sagen, aufgrund der jahrzehntelangen Umerziehung des Volkes. Denn die Deutschen haben ge­lernt, daß ihre Politiker stets zum Nach­teil des Volkes entscheiden. Mit Wider­stand war 2015 daher kaum zu rechnen. Stellen Sie sich nur vor: Jemand erzählte den Franzosen oder den Italienern, man plane, ihr Volk völlig zu verändern, es in einer Migrantenmasse aufzulösen, es ge­netisch „auszudünnen“, wie es Joschka Fischer einmal in einem Buch nahelegte. Nein, da würden nicht nur Autoreifen brennen. Die Apathie des deutschen Vol­kes, das seinesgleichen bekanntlich ver­achtet, ist allerdings noch erschrecken­der.

Sie haben Ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz?

Kunkel: Ja, seit 2009.

In der Schweiz werden viele Entschei­dungen durch das Instrument des Ple­biszits gefällt – also mit Hilfe der direk­ten Demokratie. Wäre das nicht ein In­strument auch für Deutschland, um die gesellschaftliche Spaltung zumindest abzumildern?

Kunkel: In der Schweiz hat das Plebiszit bislang mitgeholfen, eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Die politi­schen Lager zollen einander – trotz größter Meinungsverschiedenheiten – noch immer Respekt. Ich glaube, die direkte Demokratie wäre das geeignete Mittel, um dieses erneut gespaltene deutsche Volk endlich zu heilen. Das Volk würde sich in die Verantwortung genommen fühlen und nicht gegängelt, es würde en passant den Politikern wie­der vertrauen…

…wahrscheinlich der Grund, warum alle etablierten Parteien in Deutschland gegen verbindliche Volksabstimmungen sind.

Kunkel: (lacht) Ich würde sagen, die sind noch nicht so weit, sie haben noch nicht genug Niederlagen geschmeckt. Erst wenn die CDU bundesweit unter 20 Prozent gesunken ist, dürften die meisten begreifen, daß sich der routine­mäßige Verrat am eigenen Volk nicht mehr lohnt. Man wird wohl oder übel die Zeche dafür bezahlen, daß man die Lebensbedingungen des deutschen Vol­kes seit dem Fall der Mauer kontinuier­lich verschlechtert hat, und die Deut­schen ihrerseits werden sich endlich weigern, für alles zu zahlen. Der Kampf für die Einführung des Plebizits dürfte sich also lohnen, schon um den tiefen Riß in unserer Gesellschaft zu kitten und so den sozialen Frieden wenigstens noch für die nächsten zwanzig, dreißig Jahre zu sichern.

Herr Kunkel, vielen Dank für das Ge­spräch

Thor Kunkel, geboren 1963 in Frank­furt am Main, ist selbständiger Creative Consultant und Imageberater. Er studierte Kommunikation, Filmwis­senschaften und Creative Writing am San Francisco Art Institute (University of California) und am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt. Kunkel arbeitete danach für deutsche und internationale Werbeagenturen. Als Creative Director betreute er unter anderem Werbehochkaräter wie Adidas, Swiss Air, BMW, Coca-Cola, Dell und Ford Europa. Mit seinem Debüt Schwarzlichtterrarium (2000) machte er auch als Romanautor auf sich aufmerksam. Sein Buch Endstufe löste 2004 eine heftige Debatte in den Feuilletons aus. Weitere Romane von Thor Kunkel sind Kuhls Kosmos (2008), Schaumschwester (2010), Wanderful – Mein neues Leben in den Bergen (2014) und zuletzt Mir blüht ein neuer Garten (2016). Sein erstmals 2011 erschienener Roman Subs wurde von Oskar Roehler unter dem Titel Herrliche Zeiten unter anderem mit Katja Riemann, Oliver Masucci und Samuel Finzi verfilmt.

Bildquelle: Hagen Schnauss / Rechte bei: Thor Kunkel, 2013 – Thor Kunkel per OTRS/CC BY-SA 3.0

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3 Kommentare

  1. Südwester sagt:

    Was vom deutschen Volk noch übrig ist, scheint seinen goldenen Käfig immer noch zu lieben. Allerdings bröckelt der Lack bereits.

  2. Margot Lächele sagt:

    oder, mitJean-Jacques Rosseau
    Freiheit ist die Macht, sich seine Ketten selbst aussuchen zu können.

  3. Bernd Sydow)" sagt:

    Zwei Weisheiten von Patrioten vergangener Zeit:

    – Heimat ist der Ort, wo man sich nicht erklären muß.

    – Ein Volk ist dann eine Nation, wenn es eine solche sein will.

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