Chinas Social Credit-Punkteystem funktioniert: 17,5 Millionen Chinesen durften 2018 kein Flugticket kaufen

5. März 2019
Chinas Social Credit-Punkteystem funktioniert: 17,5 Millionen Chinesen durften 2018 kein Flugticket kaufen
International
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Foto: Symbolbild

Der Ausbau des chinesischen Social Credit-Systems macht zügige Fortschritte. Schon ab 2020 soll jeder der 1,3 Miliarden Chinesen über eine Smartphone-App seinen eigenen Kontostand abrufen und sich so darüber informieren können, ob er ein mustergültiger Bürger ist oder nicht. Im letzteren Fall muß er damit rechnen, zum Beispiel keine Flug- oder Eisenbahntickets kaufen zu können.

Im Jahr 2018 verweigerte die chinesische Regierung immerhin in rund 17,5 Millionen Fällen Bürgern das Reisen mit dem Flugzeug. Fast 5,5 Millionen Mal durften Reisende keine Schnellzug-Tickets kaufen – weil sie laut ihrem Punktekonto schwarze Schafe waren. Das geht aus einem Report des zuständigen Sozialkredit-Informationszentrums hervor, der jetzt veröffentlicht wurde.

Im Rahmen des Social Credit-Punktesystems werden alle Datenspuren, die jeder Bürger der Volksrepublik hinterläßt, penibel ausgewertet – hieraus können Rückschlüsse auf Konsum- und Surfgewohnheiten, Interessen, Lebensstil und politische Gesinnung gezogen werden. Da in China das Handy mittlerweile wichtiges Zahlungsmittel ist und die großen Internetfirmen Alibaba und Tencent die Daten ihrer Nutzer direkt an den Staat liefern, fällt die totale Überwachung leicht – und die Bewertung durch das Social Credit-Punktesystem ebenfalls.

Wenn ein Nutzer mindestens 1300 Punkte hat, erhält er wie bei einer Ratingagentur die Bestnote AAA. Neben den Behörden erhalten auch Banken und Arbeitgeber, Vermieter, Einkaufsplattformen, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften Einsicht in die Bewertung.

Mustergültige Bürger erhalten zur Belohnung vergünstigte Kredite oder eine bessere Krankenversicherung. Auch bei der Vergabe von Studienplätzen soll sich eine hohe Punktezahl der Eltern positiv für die Kinder auswirken. Wer dagegen unter einen Wert von 600 Punkten fällt, landet in der schlechtesten Kategorie D.

Diese de-facto-Beschränkungen sollen abschrecken und die Menschen in China zu besserem, nämlich sozial erwünschtem Verhalten erziehen. Die staatlichen Medien berichten denn auch stolz und sehr positiv über die aktuell veröffentlichten Zahlen. Man habe „große Fortschritte“ beim Aufbau des Sozialkredit-Systems gemacht, schrieb etwa die „Global Times“. Die Strafmaßnahmen wirkten sich bereits auf „unehrliche Subjekte“ aus, hieß es.

Denn die Menschen mit wenigen Punkten werden sozial geächtet, und wer sich mit solchen Menschen zeigt, dem droht ebenfalls Punkteabzug. Nichts geht mehr ohne gute Bewertung, vom Einchecken im Hotel bis zum Schulbesuch der Kinder oder der Beförderung im Job.

Derzeit funktioniert das System erst in Modellregionen wie Schanghai mit 26 Millionen Einwohnern. Aber in einem Jahr, so die Planung, muß jeder Chinese seinen Sozialkredit-Punktestand regelmäßig vorweisen können, etwa beim Ticketkauf oder beim Kredit-Beantragen auf der Bank. In China zumindest ist die Orwell-Vision vom gläsernen Bürger dann Realität. (mü)

Ein Kommentar

  1. Eidgenosse sagt:

    Erschreckend, wirklich erschreckend. Orwell konnte noch nicht die perfekten DV-Systeme von heute vorausahnen. Ob sich das die Chinesen auf Dauer gefallen lassen? In China haben wir es finanztechnisch mit einer der grössten Verschuldungsblasen der Geschichte zu tun. Vorbereitung auf den Crash? Allerdings kann es in einer Krise kaum möglich sein 1.4 Mrd. Menschen unter Kontrolle zu halten.

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