Strategische Abfuhr der USA: Ankara zeigt sich durch Washingtons Drohungen unbeeindruckt

20. Juni 2019
Strategische Abfuhr der USA: Ankara zeigt sich durch Washingtons Drohungen unbeeindruckt
International
1
Foto: Symbolbild

Ankara/Washington. Die USA kassieren in diesen Tagen eine weitere außenpolitische Niederlage – in der Türkei. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind seit dem Putschversuch im Juli 2016 auf einem Tiefpunkt, hat Ankara doch Grund zu der Annahme, daß die Drahtzieher in den USA sitzen. Akuter Streitpunkt ist aber seit Monaten die Beschaffung hochmoderner russischer Flugabwehrsysteme vom Typ S-400 durch die Türkei. Washington versucht das russisch-türkische Geschäft mit Nachdruck zu sabotieren, muß sich jetzt aber seine Niederlage eingestehen.

Der türkische Präsident Erdogan erklärte jetzt gegenüber dem US-Sender CNN Türk, er rechne mit der ersten Lieferung russischer S-400-Raketen an die Türkei bereits in der ersten Juli-Hälfte.

US-Verteidigungsminister Shanahan hatte der Türkei zuletzt ein Ultimatum bis zum 31. Juli gesetzt, um auf den Kauf des russischen Luftabwehrsystems zu verzichten. Er drohte insbesondere damit, die Türkei dauerhaft von der gemeinsamen Produktion der F-35-Kampfjets auszuschließen. Sollte die Türkei nicht auf die russischen S-400-Systeme verzichten, würden die türkischen Piloten, die derzeit in den USA an der F-35 ausgebildet werden, ausgewiesen, drohte das Pentagon. Türkische Rüstungsfirmen, die an dem Projekt beteiligt sind, sollen ersetzt und die beteiligten türkischen Mitarbeiter ausgetauscht werden.

Ankara muß noch offiziell auf den Brief Shanahans antworten. Bereits am Donnerstag hatte der türkische Verteidigungsminister Akar jedoch die US-Forderungen in einem Telefonat mit Shanahan als Verstoß gegen „den Geist der Allianz“ verurteilt. Präsident Erdogan kündigte eine „baldige“ offizielle schriftliche Reaktion an.

Erdogan zeigte sich während seines Rückflugs von einem Asien-Gipfel in Tadschikistan gegenüber Journalisten unbeeindruckt von den Sanktionsdrohungen aus Washington. Das S-400-Geschäft sei abgeschlossen. „Es gibt keine Probleme“, sagte Erdogan am Sonntag.

Die USA und andere NATO-Mitgliedstaaten befürchten, Rußland könne über das S-400-System an Informationen zu NATO-Flugzeugen gelangen. Washington pocht darauf, daß Ankara statt der S-400-Raketen das amerikanische Patriot-System erwirbt. Washington droht der türkischen Regierung zudem mit Sanktionen gemäß dem Caatsa-Gesetz, das Kooperationen mit russischen Rüstungsfirmen unter Strafe stellt. Beobachter gehen davon aus, daß dieses Gebaren des Hegemons die Türkei nicht willfähriger machen wird.

Die Abfuhr aus Ankara reiht sich in eine Folge empfindlicher geopolitischer Niederlagen der US-Regierung im Kampf um ihr Glacis im westlichen Vorfeld Rußlands ein. So ist es bislang trotz massiver amerikanischer Sabotageversuche nicht gelungen, das russisch-deutsche Pipelineprojekt Nord Stream 2 zu Fall zu bringen, das Washington aus geostrategischen ebenso wie aus ökonomischen Gründen ein Dorn im Auge ist. Aber auch die ungarische Regierung, die sich von US-Außenminister Pompeo im Februar wegen ihrer guten Beziehungen zu Rußland heftig kritisieren lassen mußte, zeigt sich von der US-Schelte unbeeindruckt. Zusammen mit der Abfuhr, die sich die amerikanische Droh-Diplomatie jetzt in der Türkei holt, bedeuten diese diplomatischen Niederlagen einen erheblichen Ansehens- und Gewichtsverlust der US-Politik in Europa. (mü)

Ein Kommentar

  1. Der tut nix sagt:

    Die Zeiten wo Uncle Sam ungefährdet drohen konnte sind vorbei.
    Er muss nur noch lernen es zu verstehen!

Schreibe einen Kommentar

Die maximale Zeichenanzahl bei Kommentaren ist auf 2000 begrenzt.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.