Die Mär von den „Präzisionsangriffen“: US-Koalition tötete in Raqqa 1600 Zivilisten

26. April 2019
Die Mär von den „Präzisionsangriffen“: US-Koalition tötete in Raqqa 1600 Zivilisten
International
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Foto: Symbolbild

London. Man erinnert sich noch gut: als 2016/17 die syrische Millionenstadt Aleppo von russischen und syrischen Streitkräften zurückerobert wurde, lamentierten westliche Medien monatelang über die vermeintlich brutalen Angriffe. Jetzt zeigt sich, daß die USA und die von ihnen angeführte Anti-Terror-Koalition um keinen Deut besser, möglicherweise aber noch schlimmer agierte. Denn die von den USA angeführten Angriffe auf die syrische Stadt Raqqa im Jahr 2017 forderten 1.600 zivile Opfer – und das trotz der behaupteten Präzision der Luftschläge. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und der britischen NGO Airwars, die jetzt veröffentlicht wurde.

Wie Amnesty in einer Pressemitteilung berichtete, hatte die Militärkoalition, die in Raqqa gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) kämpfte, bisher nur für den Tod von 159 Zivilisten in der Stadt die Verantwortung übernommen. Die anderen Opfer seien als „’unglaubwürdig‘ abgetan“ worden. Die von Amnesty und Airwars eingerichtete Informationswebseite zitiert den Kommandeur der Koalition, US-Generalleutnant Stephen J. Townsend, mit den Worten: „Ich forderte jeden heraus, präzisere Luftangriffe in der Geschichte der Kriegsführung zu finden… Das Ziel der Koalition ist immer, null menschliche Opfer zu haben.“

Donatella Rovera, Senior Crisis Response Adviser von Amnesty, erklärte demgegenüber: „Während der US-geführten Offensive, die Raqqa vom IS befreien sollte, wurden Tausende Zivilisten getötet oder verletzt. Scharfschützen und Minen des IS verwandelten die Stadt in eine Todesfalle. Viele Bombenangriffe waren ungenau, Zehntausende Artillerieattacken erfolgten willkürlich. Es ist also kein Wunder, daß so viele Zivilisten getötet und verletzt wurden.“

Amnesty und Airwars fordern nun von der Militärkoalition die Einsetzung einer unabhängigen Instanz zur Überprüfung der Berichte über zivile Opfer, Transparenz über militärische Taktik, Mittel und Methoden sowie Entschädigungszahlungen für die Überlebenden und die Angehörigen der Todesopfer. Weiters verlangen sie eine Prüfung jener Fälle, die möglicherweise Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen.

Für den Nachweis der Opferzahl sammelten die beiden Organisationen zwei Jahre lang Informationen vor Ort sowie im Internet – von Meldungen auf sozialen Medien bis hin zu Satellitenbildern – und kamen so auf eine Gesamtzahl toter Zivilisten von 1.600. Von rund 1.000 bekannten Namen konnten 641 Todesfälle auch vor Ort verifiziert werden; für die anderen lägen „jeweils mehrfach zuverlässige Quellen“ vor.

Die Angriffe, die gegen die IS-Besatzer von Raqqa gerichtet waren, fanden von Juni bis Oktober 2017 statt. Es handelte sich um Luftangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs sowie um Artilleriebeschuß durch US-Bodentruppen. (mü)

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