Fragwürdige Vorreiterrolle: Peking führt 2020 Sozialkreditpunkte-System ein

24. November 2018
Fragwürdige Vorreiterrolle: Peking führt 2020 Sozialkreditpunkte-System ein
International
4
Foto: Symbolbild

Peking. China ist auf einem guten Weg, für alle „großen Brüder“ der Welt zum Vorbild zu werden. Denn ab 2020 soll das chinesische „Sozial-Ranking“-System, das bisher punktuell in einigen Musterkommunen getestet wurde, in der Hauptstadt Peking zum Einsatz kommen. Jeder der 13,59 Millionen Einwohner wird dann über individuell vergebene „Sozialpunkte“ unter dem Aspekt der Kredit- und Vertrauenswürdigkeit bewertet. Die Bewertung erfolgt auf der Grundlage zahlreicher meist automatisiert erhobener Daten und Informationen.

Die spektakuläre Ankündigung versteckte sich in einem von der Stadtregierung beschlossenen Aktionsplan für die Jahre 2018 bis 2020. Nach Angaben der offiziellen Pekinger Webseite „Qianlongwang“ werden dabei 22 Aufgaben und 298 Maßnahmen zur Verbesserung des „Geschäftsklimas“ und einer optimierten Verwaltung genannt. Lokalzeitungen erwähnten in ihren Schlagzeilen aber nur die Einführung der Kreditbewertungspunkte in der Stadt, von der auch die Pekinger so zum ersten Mal erfuhren.

Demnach plant Peking, alle Bürger der Stadt über „Belohnungs- und Strafpunkte“ zu bewerten. Wer besonders gut oder besonders schlecht abschneidet, wird Auswirkungen auf seinen Zugang zu Marktaktivitäten, zu öffentlichen Dienstleistungen, auf Reisemöglichkeiten und die Berufswahl feststellen. Regelmäßig sollen auch „schwarze Listen“ von Personen oder Firmen veröffentlicht werden. Wer einmal seine Kreditwürdigkeit verliere, solle so „überall mit Einschränkungen rechnen müssen und keinen Schritt vorankommen“, heißt es.

Peking übernimmt damit eine Vorreiterrolle für eine vom Staatsrat chinaweit geplante Entwicklung. 2014 hatte dieser den Fahrplan zur Errichtung des Sozialkreditsystems beschlossen. Bis 2020 sollte dieses als Kernelement für ein neues Management der Gesellschaft eingeführt und im IT-Zeitalter mithilfe der Mittel der künstlichen Intelligenz durchgesetzt werden.

Das Ziel ist laut offiziellen Stellen der Aufbau einer „harmonischen Gesellschaft“ und mehr Effizienz, Vertrauens- und Kreditwürdigkeit in Wirtschaft und Handel, für die soziale Sicherheit und in juristischen, kulturellen und erzieherischen Bereichen.

Kritiker sprechen hingegen von einem intransparenten System zur totalitären Überwachung der Bevölkerung. Tatsächlich wurden viele wichtige Punkte nicht öffentlich gemacht. In dem Plan fehlen etwa Erklärungen dazu, nach welchen Kriterien ein vom Sozialpunktesystem erfaßter Bürger bewertet werden soll, wer das tut und wie die unterschiedlichen Testphasen bis 2020 vereinheitlicht werden sollen.

Peking hat neben lokalen Pilotprojekten in 43 Kleinstädten – etwa in Ostchinas Kreisstadt Rongcheng – auch bereits nationale Plattformen aufgebaut. Eine davon ist „Chinas Schufa“. Sie steht unter Federführung des Obersten Volksgerichts und setzt alle von den Gerichten zur Zwangsvollstreckung verurteilen Schuldner (bisher mehr als zwölf Millionen Personen) auf schwarze Listen. Ihre Datenbank ist mit den Computernetzen der Grenzkontrolle, Verkehrsgesellschaften und weiteren 50 Behörden verbunden. Betroffene Schuldner dürfen weder mit Hochgeschwindigkeitszügen noch in Flugzeugen reisen. Zwei Millionen Menschen zahlten ihre Schulden daraufhin zurück.

Einzelne Detailmaßnahmen im Rahmen des chinesischen Sozialranking-Systems wirken skurril und fremd. So vergibt Shandongs Provinzhauptstadt Jinan Negativpunkte für undisziplinierte Hundehalter. Wer seinen Vierbeiner nicht an der Leine führt und nach dessen Geschäft die Straße nicht säubert, erhält Abzüge von einem Zwölfpunktekonto. Sobald das auf null ist, nehmen ihm die Behörden den Hund weg. Der Halter erhält ihn erst wieder, wenn er alle Bußgelder bezahlt und eine amtliche Prüfung als vertrauenswürdiger Hundebesitzer bestanden hat.

Aber auch beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmitteln wird korrektes Verhalten geprüft und Fehlverhalten mit Negativpunkten geahndet. In Fernzügen wird seit kurzem vor falschem Verhalten gewarnt und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Regelverstöße wie Schwarzfahren oder Rauchen in der Öffentlichkeit mit einem Eintrag ins Sozialkreditpunktesystem geahndet werden. (mü)

4 Kommentare

  1. Ali Baba sagt:

    Die Chinesen werden jetzt flattern wie Fliegen im Spinngewebe…

  2. Südwester sagt:

    Keine Gemeinschaft muss sich asoziales Verhalten bieten lassen. Die Sorge ist natürlich, dass evtl. eine „falsche“ Meinung bereits zu Sanktionen führen könnte. Die Chinesen wissen allerdings am besten, was für sie gut ist – wir sollten uns dort nicht einmischen und auch selber dafür sorgen, dass wir Herr im eigenen Haus bleiben.

  3. cui bono? sagt:

    In China leben die Menschen oft auf sehr engen Räumen zusammen. Die alten Strukturen wie Familie, Dorfgemeinschaft etc. wo negatives Verhalten durch soziales Umfeld beinflusst und ggf. bestraft wurde, greifen nicht mehr überall. So ist es vielleicht doch sinnvoll einige Regeln aufzustellen.

    Bei uns gibt es auch Schufa oder polizeiliches Führungszeugnis für bestimmte Berufe. Und in einigen EU-Ländern kann man Schuldner z. B. der Sozialversicherung etc. in öffenlich zugänglichen Portalen finden.

    Das die Asiaten bei Entwicklung und Nutzung der elektronischen Systeme viel weiter sind als Deutschland (wo schon Schüler Angst vor Mathe haben und in MINT-Fächern Nachwuchs fehlt) hat wie alles im Leben Vor- und Nachteile. Aber ein Land mit 1 Mrd. Menschen zu verwalten, ist auch nicht einfach und ohne bestimmte Strukturen sogar unmöglich.

    In Deutschlad wird die Gesinnung hauptsächlich durch Propaganda, Bespitzelung und „in die rechte Ecke stellen“ beeinflusst, ohne jegliche positive Effekte (wie Gläubigerschutz, mehr Sauberkeit auf öffentlichen Plätzen oder dass sich alle in den öffentlichen Verkehrsmitteln höflich benehmen – früher selbsvertändlich- und auch für die Beförderung zahlen usw.).

  4. Joachim sagt:

    Da werden sich die grünen Marxisten hierzulande sofort darum bemühen, es den Chinesen gleich zutun, denn ähnliche Ansätze verfolgen sie ja schon seit geraumer Zeit und das chinesische Modell wären paradisische Zustände um ihre Macht entgültig zu festigen, fehlt dann nur noch in Selbstermächtigung die Wahl des grünen Kanzlers auf Lebenszeit, dann wäre ja alles geschafft, bei soviel Unsinn, den sich die Chinesen da ausgedacht haben.

Schreibe einen Kommentar

Die maximale Zeichenanzahl bei Kommentaren ist auf 2000 begrenzt.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.