„Unverkrampftes Verhältnis“ – AfD-Politiker und Burschenschafter Joachim Paul im Gespräch über das deutsche Erbe Breslaus

18. Februar 2018
„Unverkrampftes Verhältnis“ – AfD-Politiker und Burschenschafter Joachim Paul im Gespräch über das deutsche Erbe Breslaus
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Die heute in Bonn ansässige Alte Breslauer Burschen­schaft der Raczeks beging ihr Gründungsjubiläum in Breslau. Der AfD-Politiker Joachim Paul, Alter Herr der Raczeks, im ZUERST!-Gespräch über seine Eindrücke.

Herr Paul, Ihre Alte Breslauer Bur­schenschaft der Raczeks feierte Ende Oktober 2017 ihr 200jähriges Gründungsjubiläum in ihrer schlesischen Gründungsstadt Breslau. War es der er­ste offizielle Besuch seit Ende des Zwei­ten Weltkrieges?

Paul: Nein, wir Raczeks waren bereits viele Male offiziell in Breslau. Es gibt bei uns das Amt des Schlesienbeauftragten, der dafür Sorge trägt, daß gerade unsere jüngeren Bundesbrüder Kultur, Brauch­tum und Geschichte Schlesiens kennen – bis hin zur Mundart. Am Oderufer, in der Nähe der Dominsel, dort, wo bis zum Feuersturm des Abwehrkampfes unser Verbindungshaus stand, wurde vor Jahrzehnten ein Gedenkstein unse­res Bundes errichtet. Nun haben wir uns diesmal wieder im Fackelschein versammelt und Studentenlieder ge­sungen. Das am gegenüberliegenden Oderufer stehende Haus war übrigens einmal ein Verbindungshaus. Es steht noch und ist mittlerweile ein Hotel, das bekannte Hotel Tumski.

Was stand alles auf Ihrem Programm?

Paul: Am Donnerstag eröffneten wir die Feierlichkeiten feuchtfröhlich im Tum­ski. Der alte Kneipsaal des Hauses wurde wieder einmal von Verbindungsstuden­ten im alten Sinne beansprucht. Am Freitag fand der Festakt an der Universität Breslau statt. Neben unseren Char­gen, also den aktiven Studenten im  sogenannten Vollwichs, präsidierten auch Chargen unserer Kartellburschenschaf­ten Teutonia und Danubia in der Aula, der prächtig renovierten Leopoldina mit ihren barocken Deckengemälden. Die Chargen und Fahnen unserer Burschen­schaften vereint an diesem denkwürdigen Ort: ein unvergeßliches Bild. Die Leopol­dina ist ja Schauplatz unserer Bundesgeschichte. In ihr hat schon Ferdinand Lassalle, Mitglied der Raczeks und zu­gleich Gründervater der SPD, gesprochen.

Wie wurden die Raczeks von der Uni­versität Breslau aufgenommen?

Paul: Sehr freundlich und voller Re­spekt. Weil der Fachbereichsleiter Ger­manistik erkrankt war und die Begrüßung auf Deutsch ausfallen mußte, wohnte der Direktor dem Festakt bei. In seiner Rede sprach er von uns als Freun­den der Universität Breslau. Anschlie­ßend lud er alle Anwesenden zu einer Besichtigung der Universität ein.

Hatten Sie auch Gelegenheit, mit den Studenten dort zu diskutieren?

Paul: Leider bot sich keine Gelegenheit, um mit einheimischen Studenten ins Ge­spräch zu kommen. Das wollen wir aber gerade deshalb nachholen, weil es mitt­lerweile auch wieder Korporationen in Polen gibt, die das Brauchtum der Bur­schenschaften nachahmen, sogar fech­ten. Zum Beispiel die Korporation Sar­matia Warschau. Ihnen ist es sogar möglich, Fechtkurse an der Universität zu veranstalten.

Ist die heutige polnische Universitätsleitung an der Geschichte der Breslauer Korporationen interessiert?

Paul: Gerade das kulturelle Erbe der Breslauer Studentenverbindungen wird dort ganz unverkrampft gezeigt, zum Beispiel Wappen und Farben. Im Ge­gensatz zu den meisten bundesdeutschen Universitäten, an denen der noch vor­herrschende linke Zeitgeist auf Schritt und Tritt spürbar ist, wird das Korpora­tionswesen in Breslau als wichtiger Teil der Universitätsgeschichte angesehen und nicht als unliebsames Überbleibsel versteckt. Der Burschenschafter und Experte für Studentengeschichte, unser Verbandsbruder Dr. Harald Lönnecker, steht in regelmäßigem Austausch mit der Universität Breslau und war maß­geblich an einer ständigen Ausstellung der Universität beteiligt, die auch No­belpreisträger und akademische Pionie­re würdigt, die die damalige schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität hervorgebracht hat. Darunter viele Korporier­te, wie unseren Bundesbruder Karl Wernicke. Er hat 1870 promoviert und später das Sprachzentrum des Gehirns entdeckt.

Empfand die polnische Seite Ihren Be­such als „ungewöhnlich“?

Paul: Mittlerweile ist das Verhältnis recht unverkrampft. Auf dem Weg zum Schweidnitzer Keller wurden wir von Passanten aufgrund von Mütze und Band, dem Couleur, als Korporierte er­kannt und freundlich gegrüßt. Als wir im Fackelschein zu unserem Gedenk­stein am Oderufer gingen und deutsche Lieder sangen, ernteten wir interessier­te, aber auch irritierte Blicke. Unser Alt­herrenvorsitzender hatte den Gedenk­marsch natürlich bei der Stadt angemel­det. Die erteilte zügig eine Genehmi­gung. Man hat insgesamt den Eindruck, daß Breslau sich als alte Kulturstadt empfehlen will und das deutsche Erbe deshalb entsprechend würdigt. Es gibt ja auch kein großes polnisches kulturel­les Erbe, an das man hier glaubwürdig anknüpfen könnte. Früher hat man ver­sucht, das deutsche Erbe zu verschlei­ern. Heute hat sich sogar so etwas wie ein neues schlesisches Selbstbewußtsein entwickelt, das auch an die deutsche Zeit anknüpft.

Sie besuchten auch den berühmten Schweidnitzer Keller im Breslauer Rat­haus. Wie war die Stimmung?

Paul: Im Schweidnitzer Keller fand unser „Farbenabend“ statt. Ursprüng­lich war ein Kommers mit einer gro­ßen Tafel geplant gewesen, was aller­dings aus Gründen des Brandschutzes nicht möglich war. Dennoch wurde es ein geselliger Abend mit viel Bier, def­tigen deutsch-polnischen Speisen und deutschem Sang, den ein Bundesbru­der mit dem Akkor­deon begleitete. Im Schweidnitzer Keller saßen wir so auch wieder einmal in der „Bucht“, einem Raum im hinteren Kellergewölbe. Hier hatten sich die Bur­schenschafter Bres­laus schon immer zum Trinken ver­sammelt, die Wap­pen der Bünde wa­ren zu jener Zeit noch auf der Wand aufgetragen. Sie fielen leider vor Jah­ren einer Renovierung zum Opfer.

Wie ist Ihr Gesamteindruck von Bres­lau? Lohnt sich ein Besuch?

Paul: Breslau ist eine europäische Stadt im besten Sinne des Worts. Der Stadt­kern ist von preußisch-deutscher Archi­tektur geprägt, nicht von orientalischen und teilweise primitiven Multikulti-Erscheinungen. Man sieht, daß viel Geld in die Restauration historischer Gebäu­de, zum Beispiel die Jahrhunderthalle, gesteckt wurde. Einen Besuch der Stadt kann ich deshalb jedem wirklich ans Herz legen. Angesichts der Entwicklun­gen unserer Großstädte muß ich mit etwas Bitterkeit feststellen, daß Breslau kulturell gesehen viel europäischer ist als manche deutsche Großstadt. Das gilt nicht zuletzt für Bonn.

Planen Sie eine weitere Kooperation mit der Breslauer Universität?

Paul: Ich könnte mir gut vorstellen, daß der Austausch in Zukunft noch reger wird. Es wurde uns erneut vor Augen geführt, daß die einstige preußische Großstadt gut zu erreichen und als klas­sische Studentenstadt mit vielen Knei­pen für Korporationen ein hervorragendes Pflaster ist.

Herr Paul, vielen Dank für das Ge­spräch

Joachim Paul, geboren 1970 in Bendorf (Rheinland-Pfalz), ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) im Landtag Rheinland-Pfalz. Paul ist erster stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Koblenz. Auf Landesebene war er Koordinator des Landesfachausschusses 6 (Bildung und Kultur) und Landesschriftführer seiner Partei. Seit 2015 ist er stellver­tretender Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz. Paul ist ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung und des Zwischenausschusses sowie stellvertretendes Mitglied des Aus­schusses für Medien, Digitale Infra­struktur und Netzpolitik und des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur.

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