Auf der Suche nach den Putsch-Drahtziehern: Washington weist jede Verantwortung von sich

19. Juli 2016
Auf der Suche nach den Putsch-Drahtziehern: Washington weist jede Verantwortung von sich
International
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Foto: Symbolbild

Washington/Ankara. Die USA sehen sich nach dem gescheiterten Umsturz in der Türkei offenbar veranlaßt, strikt jede Beteiligung an dem Putschversuch von sich zu weisen. Ein Sprecher von US-Außenminister Kerry erklärte jetzt, der amerikanische Außenamtschef habe gegenüber seinem türkischen Amtskollegen Cavosoglu deutlich gemacht, daß „öffentliche Andeutungen oder Behauptungen über jedwede Beteiligung der USA an dem gescheiterten Putschversuch völlig falsch und schädlich für unsere bilateralen Beziehungen sind“.

Tatsächich hatten US-Präsident Barack Obama und Außenminister Kerry den Putschversuch in der Nacht von Freitag auf Samstag umgehend verurteilt und zur Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung der Türkei aufgerufen.

Im türkischen Nachrichtensender Haberturk hatte zuvor der türkische Arbeitsminister Soylu erklärt: „Hinter diesem Putsch stecken die USA.“ Präsident Erdogan wiederum mutmaßte zunächst den im US-Bundesstaat Pennsylvania lebenden Prediger Fetullah Gülen hinter dem Putsch. Erdogan hatte in der Vergangenheit immer wieder behauptet, Gülen kooperiere mit US-Geheimdiensten – ein Vorwurf, den immerhin auch russische Behörden erheben. Auch Rußland stufte die Gülen-Bewegung bereits vor vielen Jahren als Gefahr ein und verbot die Bewegung, die Schulen und Kindergärten unterhält, in der Russischen Föderation. Bei einem Rußland-Besuch 2014 soll sich Erdogan mit Putin auf die Bekämpfung Gülens geeinigt haben, berichteten seinerzeit die „Deutsch-Türkischen Nachrichten“.

Die Vorwürfe des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gegen Gülen bezogen sich seinerzeit darauf, daß Mitglieder der Bewegung für die CIA spioniert haben sollen. Ganz aus der Luft gegriffen sind diese Anschuldigungen offenbar nicht, denn im März 2014 räumte auch der ehemalige FBI-Berater Paul L. Willams der Zeitung „Aksam“ gegenüber ein, daß die CIA die Aktivitäten der Gülen-Bewegung in Zentralasien unterstützt habe. Die Bewegung solle angeblich die muslimischen Staaten Zentralasiens politisch und wirtschaftlich erschließen. Der eigentliche Urheber dieser Idee sei der langjährige US-Sicherheitsberater und Geostratege Zbigniew Brzezinski gewesen.

Türkische und russische Medien spekulieren seit der Putschnacht über weitere brisante Zusammenhänge. So wird die russische Analystin Nadana Fridrihson mit der Vermutung zitiert, daß die Putschisten auch diejenigen gewesen sein könnten, die den Abschuß des russischen Kampfjets im November 2015 befohlen haben. Im Sender „T24“ wird die Analystin wie folgt zitiert: „Ich habe am 6. Juni in einem TV-Statement gesagt, daß der russische Jet ohne Wissen und Wollen von Erdogan abgeschossen worden sein könnte. Den Putschversuch haben die türkische Luftwaffe und die Gendarmerie gemeinsam organisiert. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat die Luftwaffe den russischen Jet der Klasse S-24 abgeschossen, ohne daß Erdogan darüber in Kenntnis gesetzt wurde.“

Auch der russische Journalist Maksim Shevchenko vertritt die Auffassung, daß die Drahtzieher des Putsches in den USA zu suchen sind. Erdogan habe sich vom Westen abgewendet und die Beziehungen zu Rußland, China und Iran vertiefen wollen. „Es ist durchaus möglich, daß Erdogan von dem Jet-Abschuß nicht unterrichtet wurde“, sagt Shevchenko.

Mithin könnte Erdogan mit seinem geostrategischen Kurswechsel tatsächlich einen Putschgrund geliefert haben. Auf weitere Enthüllungen darf man gespannt sein. (mü)

4 Kommentare

  1. Schubudubiduh sagt:

    Erdowahn wurde den USA langsam unangenehm.
    Er ließ sich nicht mehr in alles reinreden.
    Wußte längst dass 9/11 ein Inside Job war.
    Weigerte sich standhaft GB als US-U-Boot in der EU zu beerben.
    Er träumte von einem vorderasiatischen Islamreich alter Osmanen-Größe.
    Er legte keinerlei Wert mehr auf US-Rückendeckung.
    Erdowahn ist ein schlauer Fuchs. Er wußte genau, wenn er sich nicht der ganzen Kritiker in Militär, Justiz und Verwaltung entledigt, hat er ausgeträumt.
    Die Chance, die ihm die Schlafmützen der Armee boten, hat er genutzt.
    Radikal, wie man an fast 30.000 Festnahmen während der Säuberungen sieht.
    Und, liebe Brüsseler Träumer, er wird die Todestrafe wieder einführen.
    Ob ihr dann kreischt oder nicht. Habt ihr ihm im Vertrag von Lissabon ja vorgemacht, wie sowas durch die Hintertür geht.

  2. Fackelträger sagt:

    Zugegeben, die türkischen Militärs sind teilweise pro-US eingestellt.
    Irgendwie passt das aber trotzdem nicht, dass Erdogan plötzlich so gar nichts mit dem Abschuss des russischen Kampffliegers zu tun haben will. Dafür waren seine Kommentare Russland gegenüber viel zu lange viel zu hasserfüllt und kriegstreiberisch. So, als ob er einen NATO-Bündnisfall inszeniert haben wollte.

    Der Erdogan ist doch erst eingeknickt, als er gesehen hat, dass er zwischen den Stühlen gelandet ist und wirtschaftlich auch noch gehörig draufzahlt und den IS-Terrorismus in sein feines Land geholt hat…

  3. Wolfsrabe sagt:

    Aber würde ein durch die USA gestützter Putschversuch so kläglich ausfallen? Immerhin gibt die unrealistisch schnelle Aufklärung und das nicht minder schnelle Festellen von Verantwortlichen Grund zur Skepsis.

    Leider interessiert die Mächtigen die Wahrheit weniger, denn auch mit Lügen und Unterstellungen kann man Kriege beginnen und rechtfertigen.

  4. MarcoM sagt:

    So, wie unsere „Qualitätsmedien“ gestern über Gülen berichteten (also pseudokritisch), scheint es unter den Transatlantikern die Agenda zu geben, Gülen doch in einem recht positiven Licht zu zeichnen. Das würde dazu passen, wenn die USA Pläne haben, Gülen an die Macht zu putschen.

    Dabei ist Gülen ein ultrakonservativer Islamist – was unsere Kulturliberalen doch sonst nicht so mögen.

    Gülen gibt vor, für eine Verwissenschaftlichung des Islam einzutreten, propagiert aber in Wahrheit eine Islamisierung der Wissenschaft: „Wissenschaft und wissenschaftliche Fakten sind wahr, solange sie mit Koran und Hadith übereinstimmen.“

    Aber Gülen ist quasi ein Neoliberaler (Gülens islamische Ethik hört sich diesbzgl. an wie eine Variante der protestantischen Ethik, wie sie Max Weber analysiert hat) – und das mag der Westen wiederum sehr gerne, insbesondere die Angelsachsen.

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