Furchtbare Bilanz einer „Befreiung“ – Vor 25 Jahren begann die Operation „Desert Storm“

17. Januar 2016
Furchtbare Bilanz einer „Befreiung“ – Vor 25 Jahren begann die Operation „Desert Storm“
Geschichte
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Foto: Symbolbild

Vor 25 Jahren begann die Operation „Desert Storm“, der Luftkrieg gegen den Irak

Im Herbst 1990 starrte die halbe Welt gebannt auf Deutschland, wo sich die Wiedervereinigung ihrem Abschluß näherte. Doch hinter den Kulissen der Diplomatie schürzten sich in jenen Wochen die Schicksalsknoten für ein anderes Großereignis der internationalen Politik.

Am 2. August rückte der Irak mit Truppen in Stärke von etwa 100.000 Mann ins benachbarte Öl-Scheichtum Kuwait ein. Die Regierung floh, die Iraker setzten eine Marionettenregierung ein, und wenige Stunden später verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution, die die Invasion verurteilte und einen Rückzug der Iraker verlangte. Am 6. August verabschiedete der Sicherheitsrat eine weitere Resolution und verhängte Wirtschaftssanktionen.

In der Folge ersuchten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich als nächste Opfer der irakischen Expansion sahen, Washington um die Stationierung von Truppen in ihren Ländern. US-Präsident George H. Bush kündigte daraufhin eine „insgesamt defensive“ Militäraktion an, um den Irak am Eindringen nach Saudi-Arabien zu hindern – die Operation „Wüstenschild“ („Desert Shield“) –, und entsandte zwei Flugzeugträgerkampfgruppen. In den darauffolgenden Monaten wuchs die US-Streitmacht schließlich auf rund 500.000 Mann an.

Bis heute wird gerne ausgeblendet, daß der Irak, der mit dem schwerreichen Zwergstaat Kuwait seit langem wegen illegaler Öl-Abzweigungen im Clinch lag, vermutlich Opfer einer amerikanischen Falle wurde. Denn als der irakische Präsident Saddam Hussein am 23. Juli die US-Botschafterin April Glaspie einbestellte und ihr den Fall vortrug, bekam er von ihr die sibyllinische Antwort, daß die USA „keine Meinung zu innerarabischen Streitigkeiten wie Ihren Unstimmigkeiten bezüglich der Grenze mit Kuwait“ hätten. Saddam interpretierte das als stillschweigende Zustimmung. Er ließ seine Panzer rollen, und das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Denn: Natürlich kam ein Rückzug aus Kuwait – sei es auf Druck Washingtons oder der Vereinten Nationen – für Bagdad nicht in Frage. Es half auch nichts, daß Saddam in den Verhandlungen mit den UN einen Abzug mit dem Palästinenserproblem und der israelischen Besatzungspolitik verknüpfte. Als am 12. Januar 1991 der US-Kongreß für Krieg stimmte, befand sich Saddam mit seinen 100.000 Soldaten noch immer allein auf dem Präsentierteller in Kuwait.

Nach einem letzten Ultimatum, das am 15. Januar verstrich, öffneten sich in den frühen Morgenstunden des 17. Januar die Schleusen der Vernichtung: Operation „Desert Storm“ begann, der Luftkrieg der USA und ihrer Verbündeten. Die Koalitionsstreitkräfte flogen allein in den ersten 20 Stunden mit über 750 Kampfflugzeugen und Bombern rund 1.300 Angriffe. Dabei setzten sie präzisionsgelenkte Munition, Streubomben, Daisy Cutters (Fliegerbomben) und Marschflugkörper ein. Schon in der ersten Nacht verlor der Irak sämtliche Leitzentren seiner Luftstreitkräfte sowie alle Radaranlagen und einen Großteil seiner Flugabwehrraketenstellungen. Große Teile der irakischen Luftwaffe wurden noch am Boden zerstört. Der Rest war, bis auf winzige Nadelstiche, die die Iraker plazieren konnten, ein Tontaubenschießen.

Die folgenden 43 Tage und Nächte waren für die westlichen Luftstreitkräfte kein Ruhmesblatt. Schon deshalb nicht, weil „Desert Storm“ möglicherweise bis zu 113.000 zivile Tote kostete; auf diese Zahl kam der jordanische Rote Halbmond in einer Schätzung.

Von der ersten Stunde an wurde der Krieg vorsätzlich nicht nur gegen militärische Ziele geführt. Schon vier Monate vor Kriegsbeginn, am 16. September 1990, hatte der Oberkommandierende der US-Luftwaffe, General Michael Dugan, ausdrücklich die Zerstörung ziviler Infrastruktureinrichtungen sowie irakischer Kulturgüter angekündigt und dies unverhohlen mit der Absicht begründet, die gegnerische Zivilbevölkerung zu demoralisieren: „Weitere Ziele schließen die irakische Energieversorgung, Straßen, Eisenbahnen und vielleicht auch Erdölraffinerien ein. […] Das ist eine nette Liste von Angriffszielen, und ich könnte sie auch akzeptieren, aber es ist nicht genug. Ich habe die mit der Planung beauftragten Personen darum gebeten, Akademiker, Journalisten, ehemalige Angehörige der Streitkräfte und irakische Überläufer zu befragen, um herauszubekommen, was an der irakischen Kultur einzigartig ist und was die Iraker am meisten wertschätzen. Dies bedeutet, daß man der Bevölkerung und dem Regime im Irak psychologisch einen Schlag versetzt.“

Rund 15.000 katalogisierte Kulturstätten gibt es im Irak. Hunderte steinerne Zeugen der Vergangenheit wurden von amerikanischen Bomben in Mitleidenschaft gezogen. Die irakische Altertumsverwaltung ließ die Schäden, die die alliierten Angriffe angerichtet hatten, katalogisieren und kam auf eine furchtbare Bilanz, von der die Weltöffentlichkeit nie etwas erfahren hat. Hunderte von Kulturdenkmälern waren nach der Befreiung Kuwaits durch die „westliche Wertegemeinschaft“ beschädigt, einsturzgefährdet oder wurden durch Erschütterungen oder nahe Detonationen in Mitleidenschaft gezogen.

Bei alledem war Operation „Desert Storm“ erst der Anfang des irakischen Martyriums. Es folgten Jahre des Embargos, dem weitere Hunderttausende zum Opfer fielen, nicht zuletzt Kinder, und endlich, 2003, in einem weiteren Waffengang, die Besetzung durch die Amerikaner. Alles begann in jener Nacht vor 25 Jahren, am 17. Januar 1991. (Xaver Warncke)

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3 Kommentare

  1. Der Rechner sagt:

    Und die Kriegsverbrecher George W Bush, Donald Rumsfeld und Tony Blair laufen immer noch frei herum.

    Wie lange noch?

    • Der Rechner sagt:

      Auch wenn diese erst beim „zweiten Golfkrieg“ in Erscheinung traten.

    • Scripted Reality sagt:

      So lange sie noch 3 Faktoren besitzen:
      -Superpower
      -Firepower
      -Mediapower

      …aber langfristig haben sie gegen die Demographie keine Chance, denn „Demokratie“ und Demographie sind alles nur eine Frage der Mehrheit.

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