Herr Munier, in einem langjährigen Rechtsstreit haben Sie mit der Commerzbank um die Führung eines Girokontos gerungen und sind jetzt letztinstanzlich beim Bundesgerichtshof unterlegen. Warum muß es gerade ein Konto bei der Commerzbank sein?
Munier: Das Meinungsklima und die Intoleranz im Lande sind inzwischen so groß, daß patriotische und demokratische Zeitschriften wie das Deutsche Nachrichtenmagazin ZUERST!, wenn es nach den Etablierten und vielen Banken geht, überhaupt kein Konto mehr haben sollten.
Wie kommen Sie darauf?
Munier: Während des Commerzbank-Verfahrens beantragten wir vorsorglich bei unserer örtlichen Sparkasse die Eröffnung eines Girokontos – und wurden abgewiesen. Das ist eigentlich ein Unding, denn die Sparkassen sind öffentlich-rechtlich organisiert und sind – wie der Staat – zur Gleichbehandlung aller Bürger und Firmen verpflichtet.
Was haben Sie dagegen unternommen?
Munier: Auch dieses uns zustehende Recht mußten wir erst durch zwei Instanzen erklagen. Man muß dazu sagen, daß sowohl das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht sehr klar und rechtstreu verhandelt und geurteilt haben. Wir haben in beiden Instanzen gewonnen, und die Sparkasse hat von der zugelassenen Berufung zum Bundesverwaltungsgericht keinen Gebrauch gemacht. Das Konto wurde inzwischen eröffnet.
Dann haben Sie ja jetzt ein Konto!
Munier: So einfach ist das nicht. Zum einen sind die Konditionen, also die Kontoführungsgebühren, zwischen Sparkassen und Commerzbank extrem unterschiedlich; wir reden hier über Unterschiede in Höhe von mehreren tausend Euro jährlich. Aber vordringlich geht es um die Frage, ob man es sich gefallen lassen will, als Unternehmen aus rein politischen Gründen ökonomisch an die Wand gedrückt zu werden. Wir haben es inzwischen mit Repressionsversuchen auf vielen Ebenen zu tun: Es gibt Verlage, die beliefern uns nicht mit ihren Büchern; Bildagenturen verweigern die Zusammenarbeit; Druckereien kündigen Verträge; Hotels vermieten keine Säle, und Banken kündigen Girokonten. Da scheint es mir notwendig, einmal höchstgerichtlich klären zu lassen, was sich ein Presseunternehmen in diesem Staat eigentlich auf privatrechtlicher Ebene an Eingriffen gefallen lassen muß.
Das wissen Sie nun spätestens seit dem 20. Januar 2015, als der Bundesgerichtshof (BGH) Ihre Klage gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen hat. Die Commerzbank hat gewonnen, Sie haben verloren.
Munier: Ja und nein. Natürlich war diese Entscheidung eine Enttäuschung für uns, denn wir hatten dem BGH deutlich gemacht, daß seine rein formale Entscheidung vom Vorjahr zu kurz gegriffen war. Da hatte der BGH mit sehr schlichter Argumentation geurteilt, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Commerzbank nicht gegen geltendes Recht verstießen und daher die Kündigung unseres Kontos rechtens sei.
Das war das „Ja“. Und warum „Nein“?
Munier: Nur der normale Instanzenzug ist erschöpft. Erst jetzt können wir unser Anliegen dem Bundesverfassungsgericht vortragen – und da gehört es hin.
Und das wollen Sie nun tun?
Munier: Das haben wir bereits getan. Die Beschwerde liegt seit Ende Februar unter dem Aktenzeichen 1 BvR 434/15 beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG).
Was versprechen Sie sich davon?
Munier: Als Presseunternehmen unterliegen wir dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Das BVerfG hat bereits 2003 festgestellt: „Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung.“ In den Grundrechten heißt es unter Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht einfach, daß die Pressefreiheit zu beachten sei, vielmehr ist sie durch den Staat zu „gewährleisten“.
Und was hat die Commerzbank damit zu tun?
Munier: Wir fordern in unserer Verfassungsbeschwerde das Gericht dazu auf zu klären, ob die Commerzbank nicht durch ihre Teilverstaatlichung im Frühjahr 2009 im Rahmen der Bankenrettung einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt.
Aber der Staat hat sich doch nur mit 25 Prozent plus einer Aktie beteiligt…
Munier: Das ist richtig, aber er hat sich mit seiner 18,2-Milliarden-Spritze maßgeblichen Einfluß auf die Geschäfts- und Finanzpolitik der Commerzbank gesichert. Und das erinnert sofort an die sogenannte Fraport-Entscheidung des BVerfG vom Februar 2011, wo das Gericht zu klären hatte, ob der frei zugängliche Hallenbereich des Frankfurter Flughafens – nur zu 32 Prozent in Staatsbesitz – privater oder öffentlicher Raum ist. Das Verfassungsgericht erkannte ihm öffentlichen Charakter zu, und daran knüpfen wir an. Immerhin schrieb das Gericht im Fraport-Urteil: „[…] sind die öffentlich beherrschten Unternehmen unmittelbar durch die Grundrechte gebunden und können sich umgekehrt gegenüber Bürgern nicht auf eigene Grundrechte stützen.“ Es kommt nun darauf an, ob das BVerfG diese maßgebliche Rolle des Staates bei der Commerzbank (CB) sieht. Dann ist die CB unmittelbar an den allgemeinen Gleichheitssatz, an das Willkürverbot und an das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG gebunden.
Und wenn nicht?
Munier: Dann bleibt immer noch die mittelbare Grundrechtsbindung. Selbst wenn die CB nicht so strikt an die Grundrechte gebunden sein mag wie eine öffentlich-rechtliche Sparkasse, so unterliegt sie im Hinblick auf den maßgeblichen Einfluß des Staates mit Sicherheit einer stärkeren grundrechtlichen Bindung als eine „gewöhnliche“ Privatbank. Man muß sich mal den fatalen Eindruck hinsichtlich der Pressefreiheit in Deutschland vor Augen führen: Im Januar 2009 wird der Bund Teilhaber der Commerzbank, im März 2009 kündigt die teilverstaatlichte CB dem Presseunternehmen Lesen & Schenken ohne Angabe von Gründen das Konto. Welcher Verdacht ist eigentlich schlimmer: Daß der Bund als maßgeblicher Aktionär diese Kündigung nicht verhindert hat oder daß die Kündigung sogar von ihm initiiert ist, was verfassungswidrige Zensur wäre? Es liegt in der Hand des Bundesverfassungsgerichtes, auch nur den Hauch jeden Verdachtes auszuräumen, daß der Staat die Pressefreiheit in Deutschland nicht ernst nehmen könnte.
Wenn wir Sie richtig verstanden haben, geht es Ihnen um die grundsätzliche Klärung von Grundrechten. Die Commerzbank scheint aber insoweit wegen der staatlichen Beteiligung doch ein Sonderfall zu sein…
Munier: Hinsichtlich ihrer Grundrechtsbindung stimmt das. Aber unsere Verfassungsbeschwerde ist wesentlich umfassender. Insbesondere fordern wir das Verfassungsgericht auf, sich mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auseinanderzusetzen. Es basiert auf zwei EU-Gleichbehandlungsrichtlinien und unterscheidet sich von den EU-Richtlinien maßgeblich in einem Punkt: Während nach den EU-Richtlinien eine Diskriminierung wegen der „Weltanschauung“ ausdrücklich verboten ist, hat man diesen Diskriminierungsgrund im deutschen AGG einfach weggelassen und erklärt nur die Diskriminierung wegen Rasse, Ethnie, Geschlecht, Religion, Alters und sexueller Identität für unzulässig. Wir Patrioten dagegen sollen vogelfrei sein.
Ist das denn statthaft?
Munier: Der BGH findet, daß das in Ordnung sei, weil der deutsche Gesetzgeber diesen Unterschied ausdrücklich gewollt habe. Das ist eine abenteuerliche Position. Wir halten diese Diskriminierung im Namen der Antidiskriminierung für klar verfassungswidrig. Wir machen aber auch geltend, daß das AGG in der vorliegenden Form gegen die EU-Grundrechtecharta verstößt. Der deutsche Gesetzgeber darf bei der Umsetzung von Unionsrecht keine willkürlichen Differenzierungen vornehmen. Er darf zwar die Liste der Diskriminierungstatbestände gegenüber der EU-Liste erweitern – was er übrigens auch getan hat –, er darf aber nicht willkürlich einzelne davon weglassen. Das AGG verstößt also auch gegen bindendes europäisches Recht.
Warum glauben Sie, daß das Bundesverfassungsgericht Ihnen recht geben wird, nachdem Sie beim BGH gescheitert sind?
Munier: Ich bin mir durchaus bewußt, daß das Verfassungsgericht durch einige Entscheidungen der letzten Jahre Ansehen eingebüßt hat. Aber insgesamt habe ich großes Vertrauen in unseren Rechtsstaat und seine Institutionen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Erste Senat die Verfassungsbeschwerde eines Presseunternehmens unbeachtet läßt. Immerhin repräsentieren wir mit unseren Zeitschriften ZUERST!, Deutsche Militärzeitschrift, DMZ-Zeitgeschichte und Der Schlesier ein ganzes politisches und historisches Marktsegment. Das kann man nicht nur an der – natürlich vergleichsweise bescheidenen – Marktdurchdringung messen, sondern man muß sich anschauen, ob es ohne uns auf den Gebieten Politik und Geschichte überhaupt noch Pluralität auf dem Pressemarkt gäbe.
Haben Sie angesichts der vielen Verfahren, denen Sie ausgesetzt sind, nicht Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz?
Munier: Es sind ja nicht die Gerichte, die diese Verfahren initiieren. Ganz im Gegenteil sind sie es, die in aller Regel dem Recht zur Geltung verhelfen, selbst dann, wenn der deutsche Staat der Rechtsbrecher ist. Ich erinnere daran, daß wir in den vergangenen Jahren den langjährigen Rechtsstreit um das Buch Dokumente polnischer Grausamkeiten vor dem Kammergericht Berlin gewonnen haben. Prozeßgegner war das Auswärtige Amt. Am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg haben wir den Rechtsstreit um unser Konto bei der Postbank gewonnen. Prozeßgegner war die damals mehrheitlich im Bundesbesitz befindliche Postbank. Gleich mehrmals waren wir gegen die Deutsche Post AG erfolgreich, die sich bekanntlich ebenfalls im Bundesbesitz befand. Im letzten Jahr haben wir beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht erreicht, daß wir im Landesverfassungsschutzbericht nicht mehr namentlich als Verdachtsfall genannt werden dürfen. Prozeßgegner war das Land Schleswig-Holstein. In diesem Frühjahr haben wir beim Sozialgericht Kiel erwirkt, daß unser Internetzugang zur Jobbörse wieder freigeschaltet wird. Prozeßgegner war die Bundesanstalt für Arbeit. Wie zuvor bereits erwähnt, haben wir auch gegen die Fördesparkasse im Frühjahr gewonnen. Wer also behauptet, unsere Justiz sei korrumpiert, der redet Unsinn.
Politische Justiz gibt es also nicht?
Munier: Natürlich muß man manchmal über willkürlich erscheinende Urteile den Kopf schütteln. Bei Gericht in Bremen, als über das Commerzbank-Konto zu entscheiden war, hat der Senat viel kreative juristische Phantasie darauf verwendet, uns ins Unrecht zu setzen. In einer mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter sich dermaßen verheddert, daß er die Verhandlung erst unterbrechen mußte, um sich nach einer Pause besser konzentrieren zu können, und dann die Verhandlung sogar abbrach, nachdem er einräumen mußte, den Sachverhalt bisher völlig falsch bewertet zu haben. Aber weil es leider auch solch schwarze Schafe in der Justiz gibt, verwerfe ich doch nicht gleich die ganze Institution. Dafür ist schließlich das Bundesverfassungsgericht da, sich solche Urteile anzusehen und sie bei groben Verstößen gegen unsere Rechtsordnung einzukassieren. Lieber wäre mir natürlich gewesen, wenn schon das BGH die Brisanz des vorliegenden Falles erkannt hätte.
Von linker Seite wird immer wieder der Verdacht geäußert, „Rechte“ würden sich der Gerichte bedienen, wenn es ihnen nützt, doch wenn man sie ließe, dann würden sie den Staat und seine Rechtsordnung beseitigen…
Munier: Es mag durchaus sein, daß es solche Ansichten gibt. Ich vertrete allerdings eine völlig konträre Auffassung: Ich begrüße unsere Staatsform, das parlamentarische System, die Gewaltenteilung ausdrücklich. Gefahren für unsere freiheitliche Ordnung sehe ich aus ganz anderer Richtung. Ich beobachte mit Sorge, wie sich zum Beispiel die politischen Parteien immer öfter über diese Regeln hinwegsetzen und sich den Staat zur Beute machen. Und natürlich bin ich über jedes politisch motivierte Urteil unglücklich, weil es das Vertrauen in unseren Rechtsstaat untergräbt.
Herr Munier, vielen Dank für dieses Gespräch.
Dietmar Munier (61) ist als Chef der Mediengruppe Lesen & Schenken auch Herausgeber des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!. Zur Mediengruppe gehören Verlage (Bonus, ARNDT, Orion-Heimreiter, Pour le Mérite, Edition Zeitgeschichte), Zeitschriften (Der Schlesier, Deutsche Militärzeitschrift, DMZ-Zeitgeschichte, ZUERST!), Film- und Tonträger- Produktionen (Excelsior) sowie eine Versandbuchhandlung. Munier ist seit seiner frühen Jugend politisch aktiv, während Wehrdienst und Studium (Germanistik und Geographie) gründete er seine erste Buchhandlung in Kiel. Munier, der Vater von sechs Kindern ist, lebt heute mit seiner Familie auf einem Bio-Bauernhof an der Ostsee.
google: im namen der antdiskriminierung : pressefreiheit zunehmend in gefahr——über 80 000 treffer.