„Unwort des Jahres“: Warum der Begriff „Lügenpresse“ nicht aus der Luft gegriffen ist

6. Februar 2015
„Unwort des Jahres“: Warum der Begriff „Lügenpresse“ nicht aus der Luft gegriffen ist
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Berlin. Die Vergabe des Titels „Unwort des Jahres“ ist in aller Regel eine hochpolitische Prozedur, und die Botschaft, die am Ende dabei herauskommt, ist es erst recht.

Denn derjenige oder diejenigen, die sich anmaßen, zumindest für den gesamten deutschen Sprachraum ein Wort zum „Unwort“ zu erklären, treten dadurch letztlich in der Rolle einer Sprach-, wenn nicht einer Gedankenpolizei auf. Eigentlich kennt man so etwas nur aus der Literatur, zum Beispiel aus Orwells berühmten Roman „1984“, wo es „Haßwochen“ zur Bekundung der öffentlichen Abscheu gegenüber äußeren oder inneren Feinden gibt – wer das ist, bestimmt die Regierung.

Hierzulande sind es vier Sprachwissenschaftler und ein Journalist, die jedes Jahr über ein Wort zu Gericht sitzen, das die Kriterien für das „Unwort des Jahres“ erfüllen muß. Ermittelt wurde in diesem Jahr aus rund 1.200 von Bürgern eingesandten Vorschlägen. Nicht sonderlich oft, nämlich gerade siebenmal, wurde das Wort „Lügenpresse“ vorgeschlagen. Warum gerade diese Vokabel dann aber dennoch zum „Unwort“ gekürt wurde? Man ahnt es schon. Wie Autobahnen, Schäferhunde, das Fernsehen, die Weltraumfahrt und vieles andere gab es die „Lügenpresse“ sprachlich auch schon in Deutschlands dunkelster Zeit.

Vor der Kulisse einer immer unverblümteren öffentlichen Diffamierung jeder vom „Mainstream“ abweichenden Meinung muß jeder Bürger unseres Landes bei immer mehr Dingen, die er tut, bei immer mehr Gedanken, die er äußert, gewärtig sein, daß er von den medialen Gesinnungswächtern unversehens zum „Nazi“ deklariert wird. Nein, das ist keine Übertreibung. Im Deutschland des Jahres 2015 ist man nicht etwa „Nazi“, wenn man früher Angehöriger der NSDAP oder einer ihrer Organisationen war. Das war einmal. Inzwischen muß jeder, der sich nicht-links äußert, damit rechnen, von denjenigen, die (noch) den öffentlichen Diskurs beherrschen, als „Nazi“ gebrandmarkt zu werden. Deshalb auch: Wer „Lügenpresse“ sagt, meint nicht Lügenpresse, sondern hat völkische, nationalistische, rassistische oder auf andere Weise „menschenverachtende“ Absichten. Wer dieses Wort verwendet, ist gegen Menschenwürde, Demokratie und Toleranz, diskriminiert und pauschalisiert und stellt sich damit außerhalb der „Zivilgesellschaft“. Wer „Lügenpresse“ sagt, kann kein Guter sein, sondern plant Angriffskriege und neue Menschheitsverbrechen.

Ganz neu ist das schlimme Wort nicht. Zwar machte sich die vielverlästerte neue Bürgerbewegung PEGIDA das Wort in letzter Zeit zueigen. Aber schon im Umfeld der sogenannten „Friedensmahnwachen“ letztes Jahr tauchte das Wort auf, um die etablierten Medien wegen ihrer oft als falsch, diffamierend und desinformierend empfundenen Berichterstattung – etwa zur Ukraine-Krise – zu kritisieren.

Aber könnte es nicht trotzdem sein, daß „Lügenpresse“ etwas Richtiges besagt und zumindest das berühmte Körnchen Wahrheit enthält? Viele Bürger dieses Landes – nicht zuletzt diejenigen, die in den letzten Wochen bei einer der vielen PEGIDA-Kundgebungen irgendwo in der Republik dabei waren und daraufhin von den Medien in unflätiger Weise beschimpft wurden – werden das wohl so sehen, und nicht zu Unrecht. Das hat Gründe, und auch diese sind ja nicht erfunden: Viele der tonangebenden bundesdeutschen Chefredakteure und Herausgeber erhielten ihr „briefing“ irgendwann einmal in einem der diskreten, meist transatlantischen „think tanks“ – wie zum Beispiel in der Atlantikbrücke, im Aspen Institute oder im German Marshall Fund – und firmieren seither als journalistische Handlanger der USA. Ihre Berichterstattung zu Themen wie Rußland, Ukraine, China und vielen anderen ist nicht objektiv, sondern Ausfluß ihrer transatlantischen Impfung. Auch was die neue Volksbewegung PEGIDA angeht, ist nicht etwa Sachlichkeit, sondern Häme und oft irrationaler Schaum vorm Mund angesagt. Und kaum ein Medium wagt es, gegen den Stachel der „Leitmedien“ anzulöcken.

Wie soll man solche Medien bezeichnen? Wer bewußt Falschmeldungen verbreitet oder sich für fremde Zwecke einspannen und dadurch in seiner journalistischen Objektivität beeinträchtigen läßt, muß sich auch das Wort „Lügenpresse” gefallen lassen. Unsere Qualitätsjournalisten machen sich jeden Tag viel schlimmerer Vergehen schuldig. „Lügenpresse“ liegt richtig. Es ist traurig genug, daß es so ist. (ds)

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