Grüne Karte für die Durchreise: EGMR stuft Italien als nicht asylfähig ein

30. Dezember 2014
Grüne Karte für die Durchreise: EGMR stuft Italien als nicht asylfähig ein
International
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Foto: Symbolbild

Rom/Strasbourg/Berlin. Täglich kommen Hunderte vorgeblicher „Flüchtlinge“ in Bayern an, die zuvor an der italienischen Küste angelandet sind und dann von den Italienern nach Deutschland „durchgewinkt“ wurden.

Im ersten Halbjahr 2014 meldete Italien offiziell „nur“ etwa 25.000 Asylanträge, obwohl die Zahl der dort angekommenen „Flüchtlinge“ ein Vielfaches betrug. Nun scheint ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die Italiener in ihrer Haltung zu bestärken. Die Lösung ist einfach: um möglichst wenige „Flüchtlinge“ aufzunehmen, muß nur für „geeignete“ Bedingungen gesorgt werden. Italien wurde vom EGMR bescheinigt, nicht asylfähig zu sein.

Dem EGMR-Urteil vorausgegangen war die Klage einer afghanischen Familie gegen ihre Abschiebung aus der Schweiz. Die Familie Tarakhel mit sechs Kindern war 2011 in einem Boot über das Mittelmeer nach Italien und somit in die EU eingereist. Nach der ersten Antragstellung auf Asyl reisten die Afghanen weiter nach Österreich, wo ihr Antrag abgewiesen wurde. Schließlich wollten die Tarakhels in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt werden, doch auch die Schweizer lehnten ihren Antrag ab. Sie verwiesen auf das Ersteinreiseland Italien. Bislang regelt die sogenannte Dublin-Verordnung, welches Land in Europa für einen Flüchtling zuständig ist, nämlich das EU-Land, das der Flüchtling nachweislich zuerst betreten hat.

Dennoch legte die Familie aus Afghanistan gegen die Schweizer Entscheidung Beschwerde ein, weil sie wegen der Zustände im italienischen Asylwesen eine menschenwürdige Unterbringung und Behandlung als nicht gewährleistet sah. Nun gab der EGMR den Afghanen Recht. Der Schweiz wurde eine Rüge erteilt, denn sie müsse ausreichende Zusicherungen aus dem Zielland Italien dafür einholen, daß die Familie menschenwürdig untergebracht werde. Im konkreten Fall wurde die afghanische Familie nach ihrer Ankunft in Italien zunächst provisorisch in einer Schule untergebracht, danach wurde ihr eine kleine Unterkunft zugeteilt, in der auf engstem Raum 50 Asylbewerber lebten. Deshalb vertraten die Richter des EGMR die Auffassung, daß zumindest im Falle von Familien mit Kindern die Abschiebung nach Italien nicht mit den Menschenrechten vereinbar sei, wenn keine individuelle Zusicherung Italiens vorliegt, daß eine dem Alter der Kinder angemessene Betreuung und gemeinsame Unterbringung möglich ist.

Auch in Deutschland klagten schon zahlreiche Asylbewerber und „Flüchtlinge“ gegen eine Abschiebung nach Italien. Die deutschen Verwaltungsgerichte haben infolgedessen zahlreiche Abschiebungen mit Hinweis auf die angeblich „menschenunwürdigen Zustände“ in Italien gestoppt. Die Schweizer Behörden haben als Reaktion auf das EGMR-Urteil angekündigt, bei den zuständigen italienischen Stellen die von den Richtern geforderten Garantien einzuholen, was ihnen wahrscheinlich nicht gelingen wird.

Nun macht es der Spruch der Straßburger Richter Asylbewerbern leichter, zuerst über Italien in die EU einzureisen, um sich dann ein Land ihrer Wahl wie Deutschland auszusuchen. Wegen des anhaltenden Flüchtlingsproblems stellt sich schon seit längerer Zeit die Frage, ob die Asylbewerber nach einem festen Schlüssel auf die Mitgliedsländer verteilt werden sollten. So forderte Bundesinnenminister Thomas de Maizière jüngst eine Aufnahmequote, die sich etwa an der Einwohnerzahl orientiert. Andere deutsche Politiker fordern, auch die Wirtschaftskraft der Aufnahmestaaten zu berücksichtigen. Nach einem solchen Verfahren verteilen schon heute die deutschen Behörden Asylbewerber auf die Bundesländer. Der sogenannte Königsteiner Schlüssel richtet sich nach der Einwohnerzahl und dem Steueraufkommen eines Bundeslandes. Ein fester Verteilungsschlüssel würde einige EU-Länder erheblich entlasten. Gemessen an ihrer Bevölkerung nehmen Schweden, Malta und Deutschland deutlich mehr Asylbewerber auf, als sie nach einem solchen Schlüssel müßten.

Vor allem die von der Finanzkrise betroffenen EU-Mitglieder wie Portugal und Spanien nehmen die wenigsten „Flüchtlinge“ auf. Sie sprechen sich auch vehement gegen einen festen Verteilungsschlüssel aus. Dies ist verständlich, denn nach einer Neuregelung, die Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft berücksichtigt, müßten sie weit mehr Menschen aufnehmen. Weitere soziale Unruhe, an der es wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise in den südeuropäischen Ländern ohnehin nicht fehlt, wäre die Folge. Also werden wohl weiter die „reichen“ Vettern im Norden geradestehen müssen… (ds)

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