Freakshow: Bärtiges Würstchen in Frauenkleidern verkörpert fortschrittliches Europa

1. Juni 2014
Freakshow: Bärtiges Würstchen in Frauenkleidern verkörpert fortschrittliches Europa
Manuel Ochsenreiter
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Foto: Symbolbild

Früher wurden sonderbare Wesen in schummrigen Zelten auf Jahrmärkten vorgeführt. „Freakshow“ nannte man das in den USA im 19. Jahrhundert. Um sich beispielsweise vor einem Mann mit zwei Köpfen oder einer Frau mit Bart zu gruseln, bezahlten die Schaulustigen Eintritt. Und siehe da: Heute gibt es diese Freakshow wieder! Sie nennt sich „Eurovision Song Contest“ (ESC) und kostet nur die Rundfunkgebühren!

Gewonnen hat den Wettbewerb in diesem Jahr ein homosexueller, bärtiger Mann in Frauenkleidung, der ein, naja, mittelmäßiges Lied vorgetragen hat. Weitaus talentiertere Gruppen und Künstler gingen leer aus. Der Österreicher Thomas Neuwirth – genannt „Conchita Wurst“ – hat den ESC nicht gewonnen, obwohl er ein Transvestit ist sondern genau deswegen. Und darum geht es beim ganzen ESC-Spektakel: um liberale Gesellschaftspolitik und postmodernen Ringelpietz. Es wird nicht einmal mehr versucht, dies wenigstens oberflächlich zu kaschieren.

Zwischen all den Lobeshymnen für Thomas Neuwirth findet man welche, die sich auf seine musikalischen Qualitäten beziehen, nicht einmal mit der Lupe. Für Bild greift beispielsweise ein gewisser Alexander von Schönburg zur Feder und frohlockt: „Aus politischer – ja sogar aus kulturphilosophischer – Sicht war der Sieg von Conchita Wurst eine Sensation! Gewonnen hat das liberale, postmoderne, Ich-kann-tun-und-lassen-was-ich-will-Europa.“ Und der Bild-Graf weiter: „Schwul oder Hetero? Mann oder Frau? In unserer Postmoderne ist das längst egal. Eigentlich gilt bereits die allzu strenge Unterscheidung als rückständig. Zumindest in Großstädten. In fortschrittlichen Kreisen wird bereits jegliche geschlechtliche Kategorisierung als reaktionär abgelehnt.“

Wahrscheinlich liegt im zweiten Zitat von Schönburgs mehr Wahrheit als ihm selber bewußt ist. Denn wir sollten uns fragen: Was sind das eigentlich für Leute, die beim ESC ihre Stimme Thomas Neuwirth gaben? Hat ihnen sein Lied so gut gefallen? Die Marschrichtungszahl geben die vielen Alexander von Schönburgs in den Medien vor: Noch nie war es so einfach, sich als Teil des allseits propagierten „guten“ Europas zu fühlen. Dafür muß man einfach nur jede Freakshow beklatschen, die einem von offizieller Seite vorgesetzt wird. Autoren wie Alexander von Schönburg eröffnen auch dem letzten Jogginghosenträger die Möglichkeit, per Telefonwahl oder Knopfdruck im Internet zu den „fortschrittlichen Kreisen“ zu gehören. Danach kann der frischgebackene „fortschrittliche Europäer“ wieder rülpsend zum Dosenbier greifen.

Eine darf im ganzen Konzert der ESC-Fans natürlich nicht fehlen: Claudia Roth. Die Grünen-Politikerin verkündet auf ihrer Facebook-Seite: „Conchita ist ohne Wenn und Aber meine Königin der Herzen! Sie ist Europa!“ Also hat die ESC-Farce auch ihr Gutes. Denn für viele Europäer wird dieses „neue Europa“ in Gestalt eines nur mäßig mit Sangestalent ausgestatteten bärtigen Würstchens in Frauenkleidern immer ungenießbarer.

Wer den ESC in Kopenhagen verfolgt hat, konnte übrigens auch die offen zur Schau gestellte bösartige Seite des „neuen Europa“ sehen: Zwei Teilnehmerinnen wurden ausgepfiffen und beschimpft, eine Diskriminierung nur wegen ihrer Herkunft – es war das Zwillingspaar aus Rußland.

Manuel Ochsenreiter

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